Warum Merkel Poroschenko empfängt

  12 April 2019    Gelesen: 862
Warum Merkel Poroschenko empfängt

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko muss um sein Amt bangen - und wird an diesem Freitag wenige Tage vor der Stichwahl von Kanzlerin Merkel in Berlin empfangen. Ist das Einmischung in den Wahlkampf?

Es ist kein normales Treffen. Und das wird der Termin im Kanzleramt am Freitag um 13 Uhr auch nicht dadurch, dass die deutsche Seite auf die Vielzahl von Zusammenkünften von Angela Merkel (CDU) und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko in den vergangenen Jahren verweist. Mehr als ein Dutzend dürften es gewesen sein, seitdem Poroschenko im Juni 2014 ins Amt kam, die genaue Zahl lässt sich schwerlich beziffern, weil die beiden neben ihren bilateralen Treffen auch immer wieder am Rande von Veranstaltungen und in größeren Runden zusammengekommen sind.

Aber nun steht Poroschenko vor dem politischen Aus: Die Bundeskanzlerin empfängt einen Mann, der zehn Tage vor der Stichwahl um die Präsidentschaft in einer Umfrage weit hinter seinem Herausforderer Wolodymyr Selensky zurückliegt. In der ersten Runde hatte der TV-Produzent und Comedian doppelt so viele Stimmen wie der Amtsinhaber erhalten.

In kaum einem Konflikt hat sich die Kanzlerin so engagiert wie in der Ukraine nach der sogenannten Maidan-Revolution Ende 2013, aus der sich mit Unterstützung von Russland der Krieg im Osten des Landes entwickelte, es folgte die von Moskau betriebene Abspaltung der Krim-Halbinsel von der Ukraine, im November vergangenen Jahres setzten vor der Meerenge von Kertsch zwischen der annektierten Krim und dem russischen Festland Spezialkräfte drei ukrainische Militärboote mit 24 Männern an Boot fest, es gab Schüsse und verletzte Matrosen.

Mischt sich Merkel mit dem Empfang des Präsidenten nun in den ukrainischen Wahlkampf ein? "Das ist es nicht", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert schon vor einigen Tagen in der Bundespressekonferenz auf eine entsprechende Frage. "Ich kann nur sagen, dass es sich um eine solche Einmischung selbstverständlich nicht handelt." Es gebe jede Menge zu besprechen, betonte Seibert: die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zum Konflikt in der Ostukraine, die Situation der von Russland festgehaltenen Seeleute, die grundsätzliche Situation an der Straße von Kertsch.

Wie dem auch sei: Poroschenko dürfte der Besuch bei Merkel sehr gelegen kommen, kann er sich doch damit als starker Staatschef präsentieren, der in Berlin geachtet wird. "Dieses Treffen ist eine öffentliche Demonstration der Unterstützung für die Politik des Präsidenten", sagt Oleh Belokolos, Experte für Auslandspolitik und Sicherheit beim "Maidan für auswärtige Angelegenheiten". Solche Bilder braucht der angeschlagene ukrainische Staatschef dringender denn je. Er möchte mit ihnen zeigen, dass nur er die Ukraine Richtung Westen führen kann.

Poroschenko bedankte sich am Donnerstag auf dem Kiewer Sicherheitsforum bereits vorab bei Merkel: "Ich denke, nicht jeder weiß genau, welchen großen Beitrag sie in den letzten fünf Jahren zur Entwicklung unseres Staates beigetragen hat", sagte er. "Und ihr Beitrag, unsere territoriale Einheit zu gewährleisten, ist nicht zu überschätzen." Poroschenko war voll des Lobes für Merkel: "Und ich bin aufrichtig stolz, dass sowohl ich als auch alle Ukrainer sie getrost als unsere große Freundin bezeichnen können."

spiegel


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