Ich bin das Spiel

  20 Januar 2016    Gelesen: 758
Ich bin das Spiel
"Konzepttrainer" glauben vor allem an ihre Philosophie. Spieler sind weniger wichtig. Haben sie die Rechnung ohne den Fußball gemacht?
Die Ablösung des Trainers Alexander Zorniger beim VfB Stuttgart ist bereits Geschichte. Die Art und Weise seines Scheiterns ist aber möglicherweise ein Fall für die Fußballgeschichtsbücher.

Dass Zorniger in Stuttgart im vergangenen November scheitern sollte, stand eigentlich schon im August in der Zeitung. Wer sein Interview in der FAZ las, konnte ahnen, dass es nicht gut ausgehen würde in Stuttgart. Er sprach über seine Idee von Fußball, und die geht so: Fußball sei ein Fehlerspiel. Das Spiel mit dem Ball, das Angreifen, sei fehleranfällig. Ein Trainer brauche nicht unbedingt gute Spieler, weil auch die Fehler machten, sagte der Trainer Zorniger. Im Fußball komme es vor allem darauf an, die Fehler des Gegners zu provozieren und zu nutzen. Anders ausgedrückt: Das Entscheidende im Fußball finde dann statt, wenn der Gegner den Ball hat. Wichtiger als der Einzelne sei daher das System. Es ist also eine Prämisse, die das Defensive zum entscheidenden Faktor erhebt, die Zornigers Fußball zugrunde liegt. Gleichzeitig hatte er offensiven Fußball angekündigt, um mit dem VfB Stuttgart in höhere Tabellenregionen vorzurücken.

Diese auf den ersten Blick widersprüchliche Philosophie ist in Deutschland seit einigen Jahren in Mode. Einige ihrer bekanntesten Protagonisten sind Ralf Rangnick, Roger Schmidt und Markus Gisdol, von ihr beeinflusst sind Jürgen Klopp und Thomas Tuchel. Man nennt sie Konzepttrainer. Einige von ihnen sind erfolgreicher als der suspendierte Zorniger. Ihre Philosophie jedoch steht dieser Tage auf dem Prüfstand.

"Konzepttrainer" sind in der Regel selbstbewusste Trainer, häufig mit baden-württembergischer Sozialisation. Durch ihre Erfolge in den vergangenen Jahren sind die Konzepttrainer in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt worden. Demnach ist eine Karriere als Fußballer nicht mehr nötig, vielleicht sogar hinderlich, um ein guter Trainer zu werden. Die ehemaligen Spitzenspieler Felix Magath, Jupp Heynckes, Armin Veh, Bruno Labbadia oder Carlo Ancelotti hätten als Vorbilder für künftige Fußballlehrer ausgedient. Angesagt seien vielmehr die Musterschüler von der Trainer-Akademie, in wissenschaftlichem Denken geschult, idealerweise mit Bestnoten, wie Zorniger. Diese Sichtweise fand rasch viele Anhänger und Nacherzähler.

Seit wenigen Monaten melden sich aber auch zunehmend Skeptiker zu Wort. Entzieht sich womöglich der Fußball am Ende doch der totalen Akademisierung? Vielleicht fehlt den Musterschülern in ihrem pädagogischen Wirken etwas, das anderen, Typen wie Ancelotti, Veh, Heynckes oder Magath, gegeben ist. Welche Fähigkeit könnte dies sein?

Gewiss, die Konzepttrainer konnten und können beachtliche Erfolge vorweisen, wie Klopp mit Dortmund oder Rangnick mit dem Durchmarsch Hoffenheims in die Erste Liga. Aber der glanzvolle, nicht endende Siegeszug blieb aus. Die von vielen erwartete komplette Ablösung der "Generation Heynckes" hat nicht stattgefunden.

Hören wir nochmals Zorniger: "Ich bin überzeugt, dass im Fußball nicht immer die geplante Aktion, die in großer Kunstfertigkeit ausgeführt wurde, die Spiele entscheidet." Daher leite er seine Spieler an, den riskanten Pass nach vorne zu spielen, unabhängig davon, wie groß die Chance sei, dass er den Mitspieler finde. "Wenn er ankommt, ist es gut", findet Zorniger. Wenn nicht, sei es auch nicht schlimm. Dann müsse man dem Gegner eben den Ball wieder abnehmen. Mit Pressing im choreografierten Kollektiv. Dieses Vorgehen erhöhe sogar die Chance auf ein Tor, weil viele Treffer fünf Sekunden nach der Balleroberung fielen, wie die Statistik belege.

Bei dieser Art, Fußball zu denken, geht es in erster Linie um kollektive Physis, um Tempo, weniger um die Kreativität Einzelner. Das Spiel ist wichtiger als der Spieler. Und am wichtigsten ist: der Trainer.

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