Dies alles sei ein Resultat der westlichen Politik, so Demmler in einem Sputnik Interview. „Vom Ansatz her sind wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen nicht nur gegen Russland, sondern auch direkt und indirekt gegen Europa gerichtet. Das Hauptziel ist eine den USA genehmere Politik zu machen. Das wurde aber nicht erreicht, weil sehr viele unterschiedliche Interessen eine Rolle spielen.“
Inzwischen sei Russland durch diese Sanktionen und wirtschaftliche Schwierigkeiten vor vier bis fünf Jahren gezwungen, seine Produktion und seine Außenwirtschaft umzuorientieren, mehr innovative Dinge zu tun, um die Abhängigkeit vom Rohstoff- und Halbzeugexport abzusenken. „Das hat in vielen Wirtschaftszweigen bestimmte Resultate gebracht. Der hauptnegative Aspekt ist allerdings, dass die Sanktionen im Kern auf die Finanz- und Kreditlinie gerichtet sind, d.h., dass dadurch eben Russland erschwert wird, mithilfe von Krediten und ausländischen Investitionen sein Wirtschaftspotential zu entwickeln.“
Auch deutsche Firmen werden davon betroffen, behauptet Demmel. „Sie werden dadurch zum Teil behindert, bestimmte Umfänge an Investitionen und Finanzierung zu tätigen, um auf dem russischen Markt weiterzukommen. Und wenn man exportieren will, braucht man eine Exportfinanzierung. Oder wenn man neue Produktionsstätten errichtet, wird es meistens alles durch Kredite finanziert. Und obwohl Gewinngelder in Deutschland und Europa vorhanden sind, um solche Finanzierung zu machen, wird das durch den Sanktionszyklus zum großen Teil verhindert.“
Der deutsche Konzern Daimler hat nun aufgehört, mit dem GAZ-Autowerk Nischni Nowgorod an der Wolga wegen der Gefahr von US-Sekundärsanktionen zusammenzuarbeiten. Demmler kommentiert: „Daimler ist weltweit tätig und hat auf den verschiedensten Märkten stark investiert. Aber die Sanktionen sind auch zum Teil ausgerichtet, um bestimmte Schlüsselinvestitionen zu behindern oder gar zu bremsen. Daimler hat sehr große Investitionen in den USA und tut das wahrscheinlich aus reiner Vorsichtsmaßnahme, um nicht in bestimmte Konflikte mit den USA verwickelt zu werden und nicht in das Blickfeld der Amerikaner noch stärker zu kommen.“
Auf der anderen Seite sei die Daimler-Investition mit der Eröffnung des ersten Mercedes-Benz-Werkes bei Moskau vor einigen Tagen eigentlich eine entgegengesetzte Entwicklung. „Damit hat der Konzern als einer der letzten deutschen Automobilbauer nach BMW und VW im Pkw-Sektor Russlands investiert.“
Es gebe bestimmte Industriezweige, so Demmler, worauf die Sanktionen besonders ausgerichtet seien. „Es ist eben der Finanzkreditsektor, der gesamte Verteidigungs- und Sicherheitssektor und der Hochtechnologiesektor, also die Hauptbereiche, wo die Sanktionen wirken. Diese Bereiche sind aber genügend breit, wo man auch engagiert und klug, also mit klugen Investitionen und wirtschaftlichen Zusammenarbeitsschritten vorgehen kann.“
Hubert Demmler leitet eine Messegesellschaft. „Und dort haben wir etwa 25 Branchen, wo wir Fachmessen haben. Wenn ich aber zum Beispiel die Hochtechnologiebranche nehme, so ist Russland jetzt selbst unter Sanktionsbedingungen stärker aktiv, sowohl mit Ausstellern als auch mit Fachbesuchern. Oder bestimmte Bereiche im Sicherheitssektor. Wenn man nun den nimmt, wie zum Beispiel Antiterror, ist überall weltweit aktuell. Dort wirken die Sanktionen weniger, weil dort zusammengearbeitet werden muss. Es gibt eine Vielzahl von Bereichen, wo man sich ungeachtet der in anderen Bereichen wirkenden Sanktionen relativ frei betätigen kann.“
Nach fünf Jahren Sanktionen haben alle genug davon: diejenigen, gegen die sie verhängt worden seien, wegen der inzwischen gewohnten, aber nach wie vor empfindlichen Einschränkungen, vor allem finanzieller Art. Inzwischen werde aber immer mehr deutlich, dass auch ihre Urheber genug davon haben. Aus Übersee werde gemeldet, US-Abgeordnete seien „sanktionsmüde“ geworden.
Dabei bleibe der unübersehbare russische Markt trotz der schwieriger gewordenen Verhältnisse für die deutsche Wirtschaft attraktiv. Gerade jetzt, solange der Konkurrenzdruck seitens ihrer westlichen Kollegen etwas nachgelassen habe, könnten, ja müssten deutsche Unternehmen für den Ausbau ihrer Geschäfte in Russland doch Raum finden. Falls die Zusammenarbeit mit Russland trotz allem weiterwachse, entwickele dies sich zu einem wirksamen Druckmittel gegen die Politik, damit diese die bestehenden Einschränkungen allmählich aufhebe.
sputniknews
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