Wie russischer Geheimdienst SWR der Auflösung durch USA entging

  27 April 2019    Gelesen: 739
  Wie russischer Geheimdienst SWR der Auflösung durch USA entging

Die USA wiederholen immer wieder das Mantra von den Bedrohungen durch die russischen Geheimdienste. Anfang der 1990er-Jahre wollte Washington kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion den Auslandsnachrichtendienst (SWR) völlig lahmlegen. Woran scheiterte dieses Vorhaben? Die russische Onlinezeitung „vz.ru“ hat diesem Thema einen Artikel gewidmet.

Am 25. April feierte der Armeegeneral, Held Russlands, Wjatscheslaw Trubnikow seinen 75. Geburtstag. In der ersten Hälfte der 1990er-Jahre war er erster Vizechef und in der zweiten Hälfte Leiter des russischen Auslandsnachrichtendienstes. Trubnikow diente nicht nur mehr als 30 Jahre in sowjetischen bzw. russischen Geheimdienststrukturen. Er beteiligte sich an der Aufrechterhaltung des SWR in den schwersten Jahren für unser Land.

Laut General Trubnikow hatten US-Geheimdienste nach dem Zerfall der Sowjetunion vor, die russischen Aufklärungsdienste lahmzulegen. In einem Interview wurde der General gefragt, was hinter der Äußerung des CIA-Chefs Robert Gates im Jahr 1992 über „ die Unbedeutsamkeit der Veränderungen“ bei den russischen Diensten nach dem August 1991 steht.

Laut dem ehemaligen SWR-Chef hatte die CIA anscheinend als minimale Aufgabe die Lahmlegung des russischen Geheimdienstes und als maximale Aufgabe die Zersetzung des Auslandsnachrichtendienstes auf das Niveau der Dienste der ehemaligen Länder des Warschauer Pakts. Gegen den SWR sollten dieselben Maßnahmen wie gegen die Stasi ergriffen werden (Lustration u.a.).

Er wies ebenfalls darauf hin, dass der Geheimdienst angesichts des unglaublichen äußeren und inneren Drucks nach dem Zerfall der Sowjetunion dank dem bürgerlichen Mut und der Treue des „Rückgrats“ der Patrioten gegenüber dem Volk und des richtigen Verständnisses des Eides und Wesens der nationalen Interessen des neuen Russlands überleben gekonnt habe.

Zudem spielte das Geschick des neuen Leiters Jewgeni Primakow (erster SWR-Chef 1991-1996) und die permanente Arbeitsfähigkeit und Effizienz des Personals eine große Rolle.

General Trubnikow beschreibt die Situation, die 1994 nach der Festnahme von Aldrich Ames in den USA entstand, der lange für den sowjetischen und danach für den russischen Auslandsnachrichtendienst gearbeitet hatte. Eine einflussreiche US-Delegation reiste nach Moskau, um verschiedene Forderungen an die russische Seite zu stellen – beginnend mit der sofortigen Ausweisung des damaligen SWR-Mitglieds Alexander Lyssenko aus Washington. Die US-Delegation wurde von Trubnikow empfangen, da der damalige Chef Jewgeni Primakow verreist war. Trubnikow übernahm die Verantwortung und sagte dem Leiter des CIA-Büros in Moskau, James Morris, direkt während der Verhandlungen, dass er des Landes verwiesen werde.

Die Amerikaner konnten das nicht glauben. Sie dachten, ein solcher Beschluss könne nur von Präsident Boris Jelzin getroffen werden. Ihnen zufolge konnte Jelzin so einen Beschluss nicht treffen, um die guten Beziehungen zu den USA aufrechtzuerhalten. Nach dem Treffen mit der US-Delegation  rief Trubnikow Jelzin an (damit überschritt er seinen Kompetenzbereich, weil dies seinem Vorgesetzten Primakow vorbehalten war) und berichtete ihm über den getroffenen Beschluss. „Gut gemacht!“, sagte Jelzin. In der Welt der Geheimdienste sind Vorgänge wie die Ausweisung von Morris als symmetrische Antwort nicht unüblich. Die Amerikaner überschätzten schon damals ihren Einfluss auf Moskau. Das war eine sehr anschauliche Episode.

Die CIA wollte das Prinzip der symmetrischen Verantwortung brechen, was schon unter Gorbatschow zu erkennen war.

Ihre Zuversicht in die eigene Straflosigkeit basierte auf den Erfahrungen in Osteuropa 1991-1992, als es tatsächlich schien, dass das zerstörte KGB-System nicht mehr reaktiviert wird und nur eine dekorative Funktion haben wird, wie die Nachrichtendienste kleinerer Staaten – ein teures symbolisches Spielzeug.

Bemerkenswert ist, dass von den Auslandsnachrichtendiensten des Ostblocks nur die Stasi demonstrativ vollständig vernichtet wurde – bis zur Vernichtung der Archive, Gebäude und Lustration. Die anderen wurden gemäß CIA-Bedarf umgestaltet. Dass der russische Geheimdienst damals bewahrt werden konnte, war teils ein Wunder, teils das Ergebnis des Patriotismus der Mitarbeiter, die zuweilen sogar ohne Lohn arbeiteten.

Erst unter Primakow wurde der Bau von Wohnungen für Fachkräfte aus den Regionen, die Finanzierung der berühmten Kantine, in der es in den 1980er-Jahren zu Vergiftungen kam, wiederaufgenommen. Viele alltägliche Probleme waren seit Jahrzehnten nicht gelöst worden - bis zum Bau einer Fußgängerbrücke über den Moskauer Autobahnring, weshalb die Mitarbeiter von der U-Bahn-Station Jassenewo lange zu Fuß gehen mussten.

In den späten Sowjetzeiten, als es die U-Bahn-Station Jassenewo noch nicht gab, kam es zu seltsamen Szenen auf der Straße. Nahe der damaligen U-Bahn-Endstation Beljajewo warteten morgens und abends Menschen mit Aktentaschen, die wie Ausländer gekleidet waren, auf den Bus.

Das führte stärker zum Abfluss junger Fachkräfte aus dem SWR, als ideologische Auseinandersetzungen im Lande. Die ungelösten Fragen des täglichen Lebens legten die „Unnötigkeit“ des Geheimdienstes für das neue Russland offen. Wer will denn noch für etwas arbeiten, was nicht gebraucht wird?

Gerade die „Unnötigkeit“ des SWR für das neue Russland war das Hauptargument. Vertreter Washingtons wollten der russischen Seite mit einem freundschaftlichen Lächeln weismachen, dass man nun strategische Partner sei. Wozu braucht man unter den neuen Bedingungen einer monopolaren Welt dieses wuchtige „sowjetische Erbe“, fragten sie.

Einige osteuropäische Verbündete und einige neue Länder stimmten schnell zu, dass man auf dieses Erbe verzichten sollte.

Auch nach 1991 wurde der Geheimdienst nicht sofort wiederbelebt. Bis heute ist der Effekt der Verluste zu spüren, besonders aus der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre. Die meisten Verräter und Überläufer entfielen auf die Gorbatschow-Ära. Im Ergebnis musste eine ganze Generation ersetzt werden. Am wichtigsten war aber die ideologische Neuausrichtung. Es brauchte einige Zeit, bis die nationalen Interessen Russlands genauer definiert werden konnten. Das führte auch dazu, dass der Auslandsnachrichtendienst bei der Umstrukturierung des gesamten Systems und Personalbestandes dem Außenministerium hinterher hinkte.

Der 75. Geburtstag von General Trubnikow ist ein ausgezeichneter Anlass, sich an das alles nochmals zu erinnern. Natürlich gibt es heute keine solchen Bedrohungen wie 1991-1994. Heutzutage wird es zunehmend zur Gewohnheit, wie US-Botschafter Huntsman direkt loszupoltern. Allerdings wird der Druck auf den russischen Auslandsnachrichtendienst im ideologischen Sinne fortgesetzt.

Heute wird kein CIA-Chef wie damals Robert Gates von der „Unbedeutsamkeit der Veränderungen“ im russischen Geheimdienst sprechen. Die Amerikaner laben sich gerne an den russischen Geheimdiensten, um stets auf der Hut sein zu können.

sputniknews


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