Im US-Bundesstaat Alabama könnte Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, bald jahrzehntelange Haft drohen. Das Repräsentantenhaus von Alabama brachte ein Gesetz auf den Weg, das Gefängnisstrafen zwischen 10 und 99 Jahren vorsieht. Die verabschiedete Novelle lässt auch keine Ausnahmen im Falle von Vergewaltigungen oder Inzest zu. Nur wenn das Leben einer Frau durch eine Schwangerschaft ernsthaft gefährdet oder das Baby außerhalb des Bauches nicht überlebensfähig wäre, dürften Mediziner demnach noch Abtreibungen vornehmen.
Erklärtes Ziel der Befürworter des Gesetzes ist es, das Recht auf Abtreibung grundsätzlich zu Fall zu bringen. Der Oberste Gerichtshof hatte 1973 in einem historischen Prozess Schwangerschaftsabbrüche für legal erklärt. Der Fall wurde als "Roe gegen Wade" bekannt. Damals hatte eine 22-jährige Alleinerziehende unter dem Pseudonym "Jane Roe" gegen das Abtreibungsverbot geklagt. Der Oberste Gerichtshof hatte zu ihren Gunsten entschieden und damit einen landesweiten Präzedenzfall geschaffen.
Würde das neue Gesetzesvorhaben in dem tief religiösen und konservativen Bundesstaat Alabama umgesetzt, würden die Unterstützer gegen jede erfolgreiche Anfechtungsklage vor dem Obersten Gerichtshof Berufung einlegen. "Bei diesem Gesetzentwurf geht es schlicht um den Fall 'Roe gegen Wade'", sagte seine Verfasserin, die republikanische Abgeordnete Terri Collins, während einer Debatte im Repräsentantenhaus.
Liberale Richter sind am Supreme Court in der Minderheit, seit US-Präsident Donald Trump zwei Oberste Richter ernannte, die Abtreibungsgegner sind. Abtreibungsgegner hoffen daher, dass das Gericht das Recht auf Abtreibung aufheben könnte, falls es sich erneut mit dem Thema befasst. Der Gesetzentwurf muss noch durch den von den Republikanern dominierten Senat von Alabama verabschiedet und von der republikanischen Gouverneurin Kay Ivey unterzeichnet werden.
Mindestens 28 US-Bundesstaaten ergriffen Aktivisten zufolge seit Anfang des Jahres mehr als 300 Maßnahmen, um das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche einzuschränken. Kentucky und Mississippi verabschiedeten restriktive Abtreibungsgesetze, die Schwangerschaftsabbrüche ab dem ersten messbaren Herzschlag des Fötus verbieten. In Kentucky wurde die Umsetzung des Gesetzes durch einen Richter gestoppt, in Mississippi greift die Regelung hingegen ab Juli.
Das Abtreibungsrecht gehört seit Jahrzehnten zu den umstrittensten innenpolitischen Themen in den USA. Trump hatte die Wahl 2016 auch dank seines starken Rückhalts bei der religiösen Rechten gewonnen, für welche die Abschaffung des Abtreibungsrechts ein Kernanliegen ist.
Diese Haltung zeigt der Präsident auch bei einer weiteren Debatte. Seine Regierung will die Rechte von Ärzten und anderen Gesundheitsmitarbeitern stärken, die aus Glaubensgründen keine Abtreibungen oder andere medizinische Eingriffe durchführen wollen. Dabei gehe es um den "Schutz der Gewissensrechte" für Ärzte, Pfleger, Apotheker, Lehrer, Studenten und glaubensbasierte Wohltätigkeitsorganisationen, sagte Trump im Weißen Haus bei einer Veranstaltung zum "Nationalen Gebetstag".
Das Gesundheitsministerium erließ dazu eine sogenannte Gewissensklausel. Demnach müssen Krankenhäuser und andere Einrichtungen, die Geld aus Bundesprogrammen bekommen, nachweisen, dass sie sich an rund zwei Dutzend Regeln halten, mit denen religiösen Rechte von Mitarbeitern geschützt werden sollen.
Ärzte, Pfleger und andere Mitarbeiter müssen künftig keine Verfahren mehr durchführen, an ihnen teilnehmen oder Überweisungen dafür ausstellen, wenn sie aus moralischen oder religiösen Gründen dagegen sind. Dabei werden explizit Abtreibungen, Sterilisationen, Sterbehilfe und Patientenverfügungen genannt. Trump sagte, gemeinsam baue man eine Kultur auf, die Würde und Wert des menschlichen Lebens schätze. "Jedes Kind, geboren und ungeboren, ist ein heiliges Geschenk Gottes."
Sein Vizepräsident Mike Pence erklärte, Trumps Regierung habe von Anfang an Schritte ergriffen, um sicherzustellen, "dass die Bundesregierung nie wieder jemand für seine Glaubensüberzeugung bestraft". Konservative Gruppen hatten die neue Regelung bereits im Vorfeld begrüßt.
Bürgerrechtsorganisationen übten dagegen scharfe Kritik. So sprach Fatima Goss Graves vom "National Women's Law Center" von einem "bösartigen und hinterhältigen Angriff" auf die Rechte von Patienten. "Persönliche Überzeugungen sollten niemals einen Einfluss auf die Behandlung eines Patienten haben", erklärte sie in einer Mitteilung.
n-tv
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