„Will nicht auf der Speisekarte stehen…“: Estlands Präsidentin muss Treffen mit Putin rechtfertigen

  15 Mai 2019    Gelesen: 949
  „Will nicht auf der Speisekarte stehen…“: Estlands Präsidentin muss Treffen mit Putin rechtfertigen

Nach dem Treffen mit ihrem russischen Amtskollegen Wladimir Putin im April hat sich die estnische Präsidentin Kersti Kaljulaid gegen die heftige Kritik ihrer baltischen Nachbarländer wehren müssen. Das war das erste Treffen zwischen einem estnischen Staatsoberhaupt und dem russischen Präsidenten seit fast einem Jahrzehnt.

„Mit deinen Nachbarn zu sprechen ist natürlich. Dass ich das aber erklären muss, ist ein bisschen unnatürlich“, sagte Kaljulaid gegenüber der britischen Zeitung „The Guardian“.

Kontakte zu Russland zu boykottieren sei unklug, betonte die Staatschefin weiter. Dieses Boykottieren sei oft bloß eine Ausrede. „Es ist schwer, wenn du mit jemandem sprechen musst, dessen Werte sich von den deinen so sehr unterscheiden. Und es ist leicht darauf hinzuweisen, dass es auch andere gibt, die mit dir nicht sprechen wollen.“

Sie lobte erneut den Dialog mit Putin: „Wir hatten eine anständige Debatte, in der ich mich an meine Prinzipien gehalten habe. Wir haben über Georgien und die Ukraine gesprochen, wir haben aber auch bilaterale Probleme besprochen“, betonte Kaljulaid weiter. „Wir haben ja bilaterale Beziehungen, der Handel steht nicht vollständig unter Sanktionen, und unsere Menschen haben ein enges Verhältnis.“

Putin sei höflich und respektvoll gewesen und habe nicht versucht, sie über Estlands Beziehungen zur Nato oder die Behandlung der russischen Minderheit im baltischen Land zu belehren.

Das Treffen habe sie dem russischen Präsidenten selbst vorgeschlagen, als sie im vergangenen November mit ihm in Paris kurz gesprochen habe.

„Ich will nicht auf der Speisekarte stehen, ich will am Tisch sitzen“, fügte die Präsidentin hinzu. Was genau Kaljulaid mit diesem Satz meinte, wird aus dem „Guardian“-Artikel nicht klar.

Allerdings habe das Treffen mit Putin nicht dazu geführt, einen gemeinsamen Nenner zu finden.

Litauen und Lettland unzufrieden

Kaljulaid handelte sich mit ihrer Entscheidung, sich mit Putin zu treffen, Kritik seitens der Nachbarländer Litauen und Lettland ein. Der litauische Außenminister Linas Linkevičius kritisierte, Tallinn hätte sich zuerst mit seinen Nachbarn absprechen müssen. „Es ist immer effektiver, wenn wir Sachen koordinieren und auf eine einheitliche Weise handeln… Es wird immer Versuche geben, uns zu spalten und die Einigkeit der europäischen oder baltischen Länder zu testen.“

Die ehemalige lettische Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga sagte gegenüber der Zeitung: „Er (Putin – Anm. d. Red.) kann ziemlich charmant sein und man kann mit ihm einen guten Dialog haben, wenn er guter Laune ist, aber das bringt nichts.“

Die estnische Präsidentin hatte Russland im vergangenen April besucht. Das ist das erste Treffen auf hoher Ebene zwischen den Nachbarländern seit zehn Jahren.

Zuletzt hatte ein estnischer Präsident Russland vor acht Jahren besucht, als 2011 die Kirche des Heiligen Johannes in St. Petersburg eingeweiht wurde. Der damalige Präsident Toomas Hendrik Ilves hatte sich allerdings nicht mit Putin getroffen.

sputniknews


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