Lindner sagte dem Deutschlandfunk im „Interview der Woche“, Deutschland habe sich für eine Form der Energiepolitik entschieden, die Bürgern und Betrieben die höchsten Strompreise in Europa gebracht habe. Wenn man diese Instrumente auf alle Bereiche des Lebens ausdehne, dann werde Deutschland kein leuchtendes Vorbild, sondern ein abschreckendes Beispiel sein. Lindner warnte wörtlich vor einer „neuen sozialen Spaltung“, die Klimaschutzmaßnahmen bringen könnten. Die Gutbetuchten machten weiter wie bisher, und die anderen seien gezwungen, auf Autos, Urlaub und Ernährungsgewohnheiten zu verzichten.
Erfindergeist und Klimaschutz mit Maß
Der FDP-Chef plädierte stattdessen dafür, auf den Erfindergeist zu setzen. Damit sei man in der Lage, klimaneutral zu leben und zu wirtschaften. Zudem müsse man jetzt Initiativen starten, um im Wärmebereich, also bei Heizungen und der Gebäudesanierung, schnell voranzukommen. Er warnte vor zu schnellen Reaktionen: „Manche wollen schon im Jahr 2030, zu Beginn der 30er Jahre ein klimaneutrales Deutschland haben. Das halte ich nicht für physikalisch-technisch möglich. Das heißt, wir orientieren uns an den Klimazielen 2030 und 2050. Auf diesem Weg müssen doch jeweils, zumindest nach unserer Auffassung, immer die tiefhängenden Früchte geerntet werden.“
Lindner verteidigte noch einmal seinen umstrittenen Tweet, in dem er vor einigen Wochen auf die „Fridays-for-future“-Bewegung reagierte und dafür kritisiert wurde: „Ich finde politisches Engagement von Schülerinnen und Schülern toll. Von Kindern und Jugendlichen kann man aber nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen. Das ist eine Sache für Profis.“ Lindner sagte nun, wenn er gewusst hätte, wie missverstanden diese Formulierung werden könnte, hätte er seine Worte klüger gewählt. Man müsse sich auf Klimaziele verständigen, aber es sei ein großes Problem, dass Politologen, Soziologen und Theologen technische Fragen beantworteten. Das müsse sich ändern, da müssten die sprichwörtlichen Profis ran.
„In einen regelrechten Shitstorm geraten“
Lindner kritisierte auch die Empörungswellen im Internet. Es sorge ihn, wie schnell es inzwischen zu solchen Bewegungen komme, sagte Lindner, und warnte vor vorschnellen Urteilen über die Parteichefinnen Kramp-Karrenbauer (CDU) und Nahles (SPD), die in solche Shitstorms geraten seien: „Ich halte nichts davon, dass so schnell gewechselt wird von Hosianna zu ‚kreuziget ihn‘, dass jede Formulierung ohne jedes Wohlwollen sofort öffentlich zerrissen wird.“
In einem Video hatte der Youtuber Rezo Kritik an der Klimapolitik von CDU, CSU und SPD geäußert und damit eine öffentliche Debatte ausgelöst. Im Zusammenhang mit dieser Diskussion hatte Kramp-Karrenbauer Regeln für „Meinungsmache“ im Internet gefordert und dafür heftige öffentliche Kritik sowie von SPD und der Opposition kassiert. SPD-Chefin Nahles war ihrerseits nach den erheblichen Verlusten bei den Europawahlen zunehmender Kritik ausgesetzt.
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