Britische Piraten in der Straße von Gibraltar – Iran und Syrien im Visier

  05 Juli 2019    Gelesen: 1737
  Britische Piraten in der Straße von Gibraltar – Iran und Syrien im Visier

Spezialeinheiten aus Großbritannien haben vor Gibraltar einen Tanker gekapert, der mutmaßlich Roh-Öl für Syrien an Bord hat. Der Überfall verschärft den Konflikt mit dem Iran und den um Syrien. Er stellt erneut die Frage, wie weit westliche Regierungen sich an das Völkerrecht halten. Schon der britische Anspruch auf Gibraltar ist nicht anerkannt.

Die Royal Marines, eine Sondereinheit der britischen Marine, haben am Donnerstag in der Straße von Gibraltar einen iranischen Öltanker geentert. Der Überfall wurde von der britischen Polizei von Gibraltar unterstützt.

Der Supertanker, der in Panama registriert ist, trägt den Namen „Grace 1“. Seine Ladung ist vermutlich für Syrien bestimmt. Das 300 Meter lange Schiff kann bis zu zwei Millionen Barrel Rohöl transportieren. Weil das angeblich gegen EU-Sanktionen verstößt, wurde das Schiff von Großbritannien in einer beispiellosen Operation beschlagnahmt.

Der britische Sender BBC berichtete, 30 Spezialkräfte der Royal Marines seien aus Großbritannien nach Gibraltar geflogen worden, angeblich auf Bitten der dortigen Regierung. Die Soldaten hätten sich von Hubschraubern auf das Schiff abgeseilt und Polizeikräfte aus Gibraltar das Schiff mit Schnellbooten eingekreist. Aus britischen Militärkreisen habe es geheißen, die Operation sei „relativ problemlos“ und ohne Zwischenfälle verlaufen.

Sanktionen als Grundlage?

Gibraltar gehört als britisches Überseegebiet zum Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland. Fabian Picardo, Regierungschef von Gibraltar erklärte, man habe „glaubwürdige Informationen erhalten, wonach die Grace 1 die EU-Sanktionen gegen Syrien“ verletze. „Wir haben das Schiff und seine Ladung beschlagnahmt.“ Das Rohöl an Bord des Tankers sei für die Raffinerie im syrischen Hafen Banias bestimmt gewesen, die von der Europäischen Union (EU) sanktioniert sei.

Der britische Außenminister Jeremy Hunt begrüßte die Aktion. Die Regierung von Gibraltar und die Royal Marines hätten dem „mörderischen Regime“ von Präsident Bashar al Assad wertvolle Ressourcen entzogen. Der nationale  Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, John Bolton bekräftigte,  die USA und ihre Verbündeten würden nicht aufhören, die Regierungen von Syrien und Iran daran zu hindern, „Profit aus ihrem Schwarzhandel“ zu ziehen.

In Brüssel hieß es, die EU habe keine Information über das Geschehen in der Straße von Gibraltar. Die Durchsetzung von Sanktionen gegen Syrien sei Sache der jeweiligen Staaten.

Teheran: Fall von Piraterie

Gibraltar ist eine felsige Halbinsel im Süden Spaniens und gehört seit  1715 als Kolonie zum britischen Überseegebiet. Spanien erkennt die britische Herrschaft dort nicht an. Entsprechend erklärte der spanische Außenminister Joseph Borell, der Vorgang werde untersucht, da er die spanische Souveränität verletze. Er gehe davon aus, dass das Schiff sich in spanischen Gewässern befunden habe. Gibraltar habe das Schiff festgesetzt, nachdem die US-Administration Großbritannien dazu aufgefordert habe.  

In Teheran wurde der Vorfall als „Piraterie“ scharf verurteilt. Der britische Botschafter Robert Macaire wurde ins iranische Außenministerium einbestellt. Dem Botschafter sei erklärt worden, dass der Vorgang  unakzeptabel sei, sagte Ministeriumssprecher Abbas Moussavi.

„Die Sanktionen, die sie verkündet haben, basieren nicht auf einer Entscheidung des UN-Sicherheitsrates, die Islamische Republik Iran akzeptiert das Vorgehen nicht.“ 

Großbritannien habe auf Anfrage der USA gehandelt und damit „eine Art extraterritoriale Sanktionen umgesetzt, obwohl die EU sich ausnahmslos gegen solche Maßnahmen ausgesprochen“ habe, so Moussavi weiter. Das Handeln Großbritanniens sei „destruktiv” und verschärfe die Spannungen in der Region.

Völkerrechtswidrige Sanktionen

Einseitige, nicht vom UN-Sicherheitsrat verhängte Wirtschaftssanktionen, sind völkerrechtlich nicht legal. Dennoch werden sie von den reichen, westlichen Staaten – vor allem von den USA und der EU – zunehmend als außenpolitische Zwangsmittel gegen Staaten angewendet, die sich der westlichen Politik nicht beugen wollen. Daher werden diese Sanktionen auch als „einseitige Straf-, Zwangs- oder Beugemaßnahmen“ bezeichnet.

Die USA haben im März 2019 mit einseitigen Sanktionen den Öl-Handel des Irans mit Syrien verboten. Sie drohen jeder Reederei, jedem Kapitän und in den Seeverkehr involvierten Bank- oder Versicherungsunternehmen sowie Einzelpersonen, die Sanktionen auf sie anzuwenden, sollten sie iranischen Öl-Handel unterstützen. Ziel sei, Syrien und den Iran vom internationalen Welthandel abzuschneiden.

So können Tanker mit Öl aus dem Iran nicht mehr durch den Suezkanal fahren, da die Kanalbehörde die Gebühren, die in US-Dollar begleichen werden müssen, für iranische Lieferungen nicht annimmt. Das war vermutlich auch der Grund, warum die „Grace 1“ den langen und teuren Umweg um Afrika machte, um seine Fracht durch das Mittelmeer nach Syrien bringen zu können.

Syrien im Visier des Westens

Sollte zutreffen, dass der Zielhafen Banias in Syrien ist, so ist das Rohöl für die dortige Raffinerie bestimmt. Kürzlich wurde bekannt, dass vermutlich im Mai sechs Unterwasserpipelines, durch die im Hafen von Banias das Öl von Tankern in die Raffinerie gepumpt wird, durch Sabotageakte zerstört worden waren. Die Pipelines wurden mittlerweile repariert.

In Banias ist eine von zwei Raffinerien in Syrien, die von der syrischen staatlichen Ölgesellschaft betrieben wird. Die EU verhängte gegen die Raffinerie 2014 einseitige Sanktionen. Gegen den Öl- und Gas-Sektor des kriegsgeschädigten Landes verhängte die EU bereits 2011 einseitige Sanktionen. 2013 wurden diese Sanktionen ausschließlich für den Teil Syriens wieder aufgehoben, der von bewaffneten Oppositionsgruppen kontrolliert wurde und wird.

Syrien verfügt über eigene ausreichende Öl- und Gas-Vorkommen, um Bevölkerung und Wirtschaft  mit Benzin und Diesel zu versorgen und die zivile Infrastruktur des Landes mit Strom zu beliefern. Der Zugang zu diesen Ressourcen, die vorwiegend nördlich und östlich des Euphrat liegen, wird der Regierung in Damaskus aber durch dort stationierte US-Truppen und die mit ihnen verbündeten syrischen Kurden verwehrt.

Völkerrechtswidriger Überfall?

Die Straße von Gibraltar zählt zu den wichtigsten internationalen Seepassagen, die von zivilen, Handels- und Kriegsschiffen frei durchfahren werden kann. Die Gewässer gehören zum spanischen und marokkanischen Territorium, Großbritannien beansprucht ein Gebiet vom knapp sechs Kilometern vor Gibraltar. Der britische Gebietsanspruch wird von Spanien nicht anerkannt.

Der Überfall der britischen Spezialkräfte auf den Tanker in der Straße von Gibraltar ist beispiellos und erschüttert das Vertrauen in die freie Seefahrt, zumal staatliche Akteure verantwortlich sind. Bei ähnlichen Vorfällen vor der Küste von Somalia und im Golf von Aden wurde 2008 von der EU die „Operation Atalanta“ zum Schutz der freien Seefahrt und zur Bekämpfung der Piraterie gestartet. Sie dauert noch bis zum Ende des Jahres 2020 an.

sputniknews


Tags:


Newsticker