Deutsche Bank streicht 18.000 Stellen

  08 Juli 2019    Gelesen: 1053
Deutsche Bank streicht 18.000 Stellen

Er will Tausende Stellen streichen, die Deutsche Bank soll sich aus dem Aktiengeschäft zurückziehen: Christian Sewing ist in seinen Entscheidungen radikal. Sein Erfolg ist höchst ungewiss.

Es hat ein bisschen gedauert, aber jetzt hat Christian Sewing etwas Ungeheuerliches getan: Der Chef der Deutschen Bank beschloss nach 15 Monaten im Amt, einen vor 30 Jahren eingeschlagenen Irrweg des mächtigsten deutschen Kreditinstituts zu korrigieren. Er gibt den Anspruch auf, dass der Frankfurter Konzern eine führende globale Investmentbank zu sein hat.

Er bricht so mit der Strategie seiner Vorgänger Alfred Herrhausen, Hilmar Kopper, Rolf Breuer, Josef Ackermann, Anshu Jain, Jürgen Fitschen, John Cryan - und emanzipiert sich ganz nebenbei von Aufsichtsratschef Paul Achleitner, der seit sieben Jahren den notwendigen strategischen Umbruch verhindert.

Das Institut kündigte nach einer Aufsichtsratssitzung am Sonntag den Rückzug aus dem weltweiten Aktiengeschäft und eine Verkleinerung des Handels an. Der Konzernumbau werde bis Ende 2022 voraussichtlich 7,4 Milliarden Euro kosten, teilte der Dax-Konzern mit.

Man muss all diese Namen aufzählen und bis in das Jahr 1989 zurückblicken, um die Tragweite der Entscheidungen richtig einzuordnen, die Sewing getroffen und der Aufsichtsrat der Deutschen Bank am Sonntag goutiert hat.

Vor knapp 30 Jahren, kurz vor seinem Tod, fädelte der damalige Vorstandssprecher Alfred Herrhausen die Übernahme der britischen Investmentbank Morgan Grenfell ein. Damit begann der Aufbruch des damals extrem konservativen Kreditinstituts in die Welt des von New York und London aus gesteuerten Wertpapierhandels, der in den 2000er Jahren zum Roulette mutierte und die Deutsche Bank nach vorübergehenden Erfolgen an den wirtschaftlichen Abgrund führte. Um da nicht hineinzurutschen, wagt Sewing nun den Sprung.

Der Mann aus Bielefeld in der westfälischen Provinz verschiebt das Gravitationszentrum der Bank nun von der Wall Street und der Londoner City zurück nach Deutschland. Es hat mehr als nur Symbolwert, dass Sewing das, was vom Investmentbanking übrigbleiben wird, künftig selbst leiten möchte, ebenso wie eine neu geschaffene Einheit, die sich allein um die Belange von Unternehmen kümmert. Den Südafrikaner Garth Ritchie, den letzten hochrangigen Repräsentanten des alten Systems, schickte er in den Vorruhestand.

Was Sewing vorhat, geht weit, ist notwendig und doch riskant, auch deshalb haben seine Vorgänger die harten Schnitte gescheut. Er will 18.000 Stellen abbauen, mehr als dreimal so viel wie einst 2005 Josef Ackermann. Der meldete damals zugleich einen Rekordgewinn und wollte die Rendite weiter hochtreiben, Sewing handelt dagegen aus einer Position der Schwäche.

Manch einer in der Bank hatte gehofft, der Job-Kahlschlag werde ausbleiben, nachdem Sewing die Idee einer Fusion mit der Commerzbank aufgegeben hatte. Aber die Kosten sind auch bei der Deutschen Bank allein gemessen an den Einnahmen zu hoch. Für jeden Euro Ertrag wendet der Konzern 93 Cent auf, Wettbewerber kommen mit 20 bis 30 Cent weniger aus. Der Apparat passt nicht mehr zur Leistung, wie bei einem aufgemotzten SUV das nur durch verkehrsberuhigte Straßen tuckert.

Doch die Kosten sind nur eine Seite der Gleichung. Bereits vergangenes Jahr hatte Sewing die Ausgaben gesenkt, aber weil die Erträge ähnlich schnell fielen, blieb unter dem Strich nur ein Minigewinn, die Deutsche Bank verlor Marktanteile in vielen Bereichen.

Jetzt aber will der Chef vor allem im Investmentbanking Stellen abbauen und ganze Geschäftsbereiche eindampfen. Im Wertpapierhandel werden nicht nur besonders hohe Gehälter gezahlt, seit der Finanzkrise müssen Banken für diese Geschäfte besonders viel Kapital zur Absicherung bereithalten, auch das kostet Geld und schmälert den Gewinn. Sewing fährt nun die besonders schwachen Teile des Investmentbanking deutlich herunter, lagert noch einmal Geschäftsbeziehungen im Volumen von 74 Milliarden Euro und Schulden in Höhe von 288 Milliarden Euro in eine Bad Bank zur Abwicklung aus.

Zwar betont Sewing, dass die Deutsche Bank auch weiterhin in Nord- und Südamerika präsent sein will, doch gerade am Finanzplatz New York dürfte das Geschäft deutlich schrumpfen. Er gesteht damit endlich ein, dass die Deutsche Bank gerade in dem von JP Morgan, Goldman Sachs und anderen Amerikanern dominierten Markt in vielen Bereichen nicht mehr wettbewerbsfähig ist.

Aber nur wenn es der Deutschen Bank gelingt, die Kunden in den anderen Bereichen bei der Stange zu halten und neue hinzuzugewinnen, wird die Rechnung aufgehen. Deshalb ist der zweite Teil von Sewings Strategie entscheidend: Er bündelt die Kräfte, will alle für große Unternehmen relevanten Dienstleistungen zusammenführen, vom Zahlungsverkehr bis zur Fusionsberatung, und so der Deutschen Bank ein neues Gesicht geben; als Bank für Unternehmen, nicht für Hedgefonds und andere Finanzjongleure; mit dem Schwerpunkt in Europa, nicht in Trumps Amerika und Brexit-Britannien.

Das alles ist richtig und notwendig. Auch mit den Wechseln im Vorstand setzt Sewing ein Signal des Neuanfangs. Etwa indem er Silvie Matherat ersetzt, der es nicht gelungen ist, die Kontrolldefizite der Deutschen Bank bei der Geldwäscheprävention und der Einhaltung anderer Regeln zu beheben. Der Konzern muss raus aus den Schlagzeilen, damit Kunden wieder Vertrauen in die ramponierte Marke Deutsche Bank fassen. Ob allerdings das neu geschaffene Management-Komitee unterhalb des Vorstands hilft, muss sich erst zeigen. Es erinnert ungut an das einst von Ackermann installierte Group Executive Committee, das von Investmentbankern dominiert wurde, ein Eigenleben entwickelte und vom Vorstand nur unzureichend kontrolliert wurde. Eine solche Entwicklung darf Sewing nicht noch einmal zulassen.

So stehen die Chancen, dass Sewing die Wende schafft bestenfalls 50:50, die Umsetzungsrisiken sind enorm. Und das liegt auch an Dingen, auf die das Management der Deutschen Bank keinen Einfluss hat.

Mario Draghi, der scheidende Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) hat gerade alle Hoffnungen auf höhere Zinsen pulverisiert. Auch seine designierte Nachfolgerin Christine Lagarde wird die kurz- und langfristigen Zinsen auf Jahre hinaus niedrig halten. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Gewinnmarge, die europäische Banken durch die Vergabe langfristiger Kredite erzielen können, etwa geviertelt. Gerade für einen Finanzkonzern, der seine Stärken weiterhin im Zins- und Währungsgeschäft sieht - und nicht im Aktienhandel - ist das fatal.

Diese schwere Hypothek wird Sewing so schnell nicht los. Hinzu könnte bald ein wirtschaftlicher Abschwung mit höheren Kreditausfällen und geringeren Einnahmen im Kapitalmarktgeschäft kommen. Weiterhin braucht Sewing einen Partner für die Vermögensverwaltung, damit die DWS die notwendige kritische Größe gewinnt. Eine mutigere Digitalstrategie hat Sewing angekündigt und er will die IT endlich auf Vordermann bringen. Doch das haben auch schon seine Vorgänger gelobt, sie sind daran gescheitert. Außerdem wird der Umbau auf Jahre hinaus viele Ressourcen binden und der Deutschen Bank in diesem Jahr einen weiteren Milliardenverlust bescheren.

Und dann sind da noch all die politischen und juristischen Risiken, denen die Deutsche Bank weiter ausgesetzt ist. Vom amerikanisch-chinesischen Handelskonflikt bis zu den alten Verbindungen der Bank zur Familie Trump, die sie immer wieder in die Schlammschlachten der amerikanischen Politik hineinziehen werden.

Der Weg für die Deutsche Bank zurück zu einem starken, der Wirtschaft dienenden europäischen Finanzdienstleister ist weit. Aber Sewing ist der erste Deutsche-Bank-Chef seit sehr langer Zeit, der nicht von Strategie- und Kulturwandel spricht, sondern ihn ernsthaft versucht. Deshalb hat er eine Chance, das Vertrauen von Kunden, Aktionären und Mitarbeitern zurückzugewinnen. Und Vertrauen - so hat die Deutsche Bank in den 90er Jahren einmal geworben - ist der Anfang von allem.

spiegel


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