Bundeswehreinsatz in Syrien - Nato-Offizier a.D. mahnt: „Auf keinen Fall verlängern!“

  11 Juli 2019    Gelesen: 825
 Bundeswehreinsatz in Syrien - Nato-Offizier a.D. mahnt: „Auf keinen Fall verlängern!“

Die Bundesregierung plane zwar, keine Bodentruppen einzusetzen, einer „Weiterentwicklung des Engagements“ in Syrien stehe sie jedoch offen gegenüber. Wie ein solches Engagement aussehen kann und warum die Bundesregierung an einem „völkerrechtswidrigen Einsatz“ festhält, erklärt Nato-Experte und Luftwaffen-Offizier a.D. Jochen Scholz.

Die Gefahr durch den Islamischen Staat* (IS) bestehe weiterhin, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag mit. Deswegen wolle die Bundesregierung das Engagement in der „Anti-IS-Koalition“ weiterhin fortführen. Außerdem liefen Gespräche mit den Partnern darüber, „wie sich das Engagement in der Region weiterentwickeln soll“. Einer US-Anfrage nach Bodentruppen in Syrien erteilte Seibert allerdings eine Absage.

„Sowohl politisch als auch rechtlich war das die richtige Entscheidung“, erklärt Oberstleutnant a.D. Scholz im Sputnik-Interview. Scholz war in verschiedenen Nato-Gremien tätig und arbeitete zuletzt im Bundesministerium der Verteidigung (BMV).

Politik gegen Völkerrecht?

Scholz bezweifelt, dass die Bundesregierung aus rechtlichen Gründen keine Bodentruppen in Syrien einsetzen will. „Wenn dies so wäre, müsste man auch die derzeit laufende Unterstützung der Bundesrepublik im Rahmen der Koalition der Willigen beenden“. Dabei verweist er auf die „eindeutige Aussage“ der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, die diesen Einsatz als „völkerrechtswidrig“ eingestuft hätten. Somit hält Scholz in erster Linie politische Gründe für ausschlaggebend. Unter anderem könne er sich vorstellen, dass man im Vorfeld der Landtagswahlen in Ostdeutschland „keine negative Stimmung“ erzeugen wolle.

Der ehemalige Luftwaffen-Offizier warnt davor, „Politik und Recht gegeneinander auszuspielen“. Das sei in Deutschland immer häufiger zu beobachten – „angefangen im Jahr 1999 mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien“. Orientierend an bestimmten politischen Vorstellungen werde das Recht zurechtgebogen oder übergangen, kritisiert der Militär-Experte. „Das haben die Großmütter und -väter des Grundgesetzes nicht umsonst in die deutsche Verfassung geschrieben vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit. In dem Moment, in dem die Politik das Recht verlässt, gelten das Recht des Stärkeren und das Faustrecht. Dann gehen wir zurück in die Zeit vor dem Westfälischen Frieden. Und das will ich nicht und das wollen viele andere Menschen auch nicht.“

„Europa soll USA militärisch entlasten“

Hinter den US-Forderungen nach mehr Engagement in der „Anti-IS-Koalition“ sieht der Nato-Experte wahltechnische Gründe in den USA: Trump habe im Wahlkampf 2016 versprochen, die internationale Militärpräsenz zurückzufahren. „Wir sollen die Rolle übernehmen, die die Amerikaner nicht mehr spielen können oder nicht mehr spielen wollen. Das ist grundsätzlich abzulehnen“, betont der Nato-Kritiker. So sollen die Europäer mit den Deutschen die USA in Europa militärisch entlasten, vermutet Scholz: „Deswegen stehen auch unsere Truppen an der Grenze zur Russischen Föderation.“

Weiterentwicklung des Einsatzes in Syrien?

Eine Weiterentwicklung des Engagements im Mittleren Osten könnte nach Meinung des Nato-Experten so aussehen, „dass man endlich aufhört legale Regierungen Syriens beseitigen zu wollen“. Dazu gehöre, „dass sämtliche Sanktionen gegen Syrien aufgehoben werden und man eine Hilfe zum Wiederaufbau dieses Landes leistet. So ein Engagement wäre zu befürworten“. Scholz befürchtet allerdings, die Bundesregierung habe andere Ideen. Er glaubt zum einen, dass man in der Region den Fuß drin haben möchte, „um bei der Neugestaltung dieser Region mitzuspielen“.

Zum anderen verweist er auf die Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem israelischen Parlament im Jahr 2008: „Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar“, so Merkel.

Im „Duden“ wird Staatsräson definiert als: „Grundsatz, nach dem der Staat einen Anspruch darauf hat, seine Interessen unter Umständen auch unter Verletzung der Rechte des Einzelnen durchzusetzen, wenn dies im Sinne des Staatswohls für unbedingt notwendig erachtet wird“. Die Aussage der Kanzlerin bezeichnet Scholz als „abenteuerlich“: „Die Vorstellung sei, dass man da im Sinne Israels Politik betreibt. So interpretiere ich das.“

„Auf keinen Fall verlängern!“

Das Bundestagsmandat für den Einsatz im Nahen Osten läuft am 31. Oktober aus. Doch Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte Anfang Juni bei einem Irak-Besuch bemerkt, dass die Bundesregierung nun doch zu einer Verlängerung bereit sein könnte.

„Auf keinen Fall verlängern!“, rät der langjährige Bundeswehr-Offizier der Luftwaffe und Mitglied der deutschen Denkfabrik „Gesellschaft für Internationale Friedenspolitik“ der Bundesregierung. Scholz lacht: „Doch, was ich ihnen raten würde, würde sie sowieso nicht annehmen - jedenfalls nicht in diesen Regierungsfraktionen.“ 38 Jahre diente Scholz in der Bundeswehr. Er erinnert an die Grundpflicht des Soldaten im Soldatengesetz. „Dort heißt bis heute: Recht und Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Und das Recht ist das Grundgesetz. Und von daher kann ich niemandem dazu raten, das Grundgesetz zu brechen aus übergeordneten politischen Erwägungen.“

Ob eine Verlängerung des Mandates im Oktober kommen werde, hänge mit der Entwicklung der SPD zusammen, meint Scholz. „Wenn die SPD zu dem Schluss kommt, wir wollen diese Koalition möglichst schnell zu beenden“.

US-Präsident Donald Trump hatte im Dezember angekündigt, die rund 2.000 amerikanischen Soldaten aus Nordost-Syrien abzuziehen. Inzwischen haben die USA angekündigt, doch bis zu 400 Soldaten in Nordost-Syrien lassen zu wollen, um die Sicherheit in den Kurdengebieten zu stabilisieren. Gleichzeitig bemühen sie sich aber um Unterstützung ihrer Verbündeten aus der Anti-IS-Koalition, der 80 Länder angehören - darunter Deutschland.

sputniknews


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