EU-Parlament - Der Hindernisparcours für von der Leyen

  12 Juli 2019    Gelesen: 797
EU-Parlament - Der Hindernisparcours für von der Leyen

Brüssel (Reuters) - Die Abgeordneten des Europaparlaments stimmen am Dienstagabend über die Kandidatur von Ursula von der Leyen für die Spitze der EU-Kommission ab.

Bis dahin muss sie noch viel Überzeugungsarbeit leisten, nachdem eine Charmeoffensive bei den Parteien am Mittwoch in Brüssel keinen Stimmungsumschwung brachte. Bei derzeit 751 EU-Abgeordneten liegt die absolute Mehrheit bei 376. “Die Stimmen sind noch nicht da und so langsam schaut es riskant für sie aus”, sagt ein EU-Diplomat. Die Abstimmung ist geheim. Um angesichts möglicher Abweichler sicherzugehen, wäre es einem EU-Vertreter zufolge am besten, wenn sich vor der Wahl 60 Prozent der Abgeordneten zu ihr bekennen würden.

DAFÜR

- Die Europäische Volkspartei (EVP) hat bei der EU-Wahl Ende Mai zwar massiv an Wählerstimmen verloren, ist aber mit 182 Parlamentariern noch stärkste Kraft. Zur Parteienfamilie gehören auch die CDU und die CSU. Insofern kann von der Leyen als CDU-Politikerin auf breite Unterstützung zählen. EVP-Fraktionschef Manfred Weber stellte sich bereits hinter ihre Kandidatur, obwohl die Niedersächsin seinen Plan, selbst Kommissionschef zu werden, durchkreuzte. Weber wird Parteikreisen zufolge nun daran gemessen werden, wie gut er die Stimmen der EVP für von der Leyen organisiert.

UNENTSCHLOSSEN

- Die europäischen Sozialisten (S&D) zählen 154 Abgeordnete und sind zweitstärkste Kraft im EU-Parlament. Sorgen bereitet der Fraktion eine angeblich zu weiche Haltung von der Leyens gegenüber den nationalistischen Regierungen in Osteuropa und die ungeklärte Frage, wie stark sich die nächste Kommmission um soziale Belange kümmern wird. Gleichzeitig machen die deutschen Sozialdemokraten offen Front gegen von der Leyen. Andere Teile der S&D dürften hingegen weniger gegen die erste Frau im mächtigsten Job der EU haben. Spanien, Italien und die Niederlände wurden bei der Vergabe der anderen Topjobs bedacht.

- Noch nicht festlegen wollen sich auf die Liberalen (Renew). Deren Chef Dacian Ciolos sagte, man habe eine “gute Debatte” mit von der Leyen gehabt. Wichtig seien nun Zusagen von ihr, was die Weiterentwicklung des Spitzenkandidatenprinzips und Bürgerkonferenzen über die Zukunft Europas angehe sowie ein Vizepräsidentenjob in der Kommission für den liberalen Superstar Margrethe Vestager. Da die 108 Leute starke Fraktion wenig mit dem Spitzenkandidatensystem anfangen konnte und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron - ein Fan von der Leyens - mit seiner Partei En Marche dort eine entscheidende Rolle spielt, dürfte sich Renew letztlich größtenteils hinter die Deutsche stellen. Entschieden werden soll nächste Woche.

- Die Fraktion der europäischen Konservativen (EKR) mit 62 Abgeordneten vereint konservative bis nationalistische Parteien. Neben der polnischen Regierungspartei PiS gehören auch die britischen Tories, die rechtspopulistischen Schwedendemokraten und Vox aus Spanien dazu. Die polnische Regierungspartei PiS in Warschau ist von von der Leyens harter Haltung gegenüber Moskau sehr angetan.

DAGEGEN

- Die europäischen Linken (GUE/NGL) wollen von der Leyen auf gar keinen Fall unterstützen. Sie habe keine Vision für Europa, die auf sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten basiere, erklärt die Fraktion nach einer Befragung von der Leyens. Die Gruppe hat 41 Sitze.

- Auch die Grünen mit 74 Abgeordneten im Europaparlament haben von der Leyen eine Abfuhr erteilt. Die Aussagen zum Klimaschutz reichten nicht aus, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, hieß es. Auch beim Thema Rechtsstaatlichkeit habe sie sich nicht ausreichend festgelegt.


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