Russlands Außenminister Sergej Lawrow war der Stargast der Veranstaltung. Nachdem der „Petersburger Dialog“ in den letzten Jahren mit Absicht von deutscher Regierungsebene kleingehalten wurde, entschloss man sich, in diesem Jahr ein deutliches Zeichen der Annäherung zu senden, und schickte die Außenminister beider Länder ins Rennen.
„Schurkenstaaten“ sind out
Lawrow verwies vor den etwa 300 hochrangigen Gästen aus Politik und Gesellschaft darauf, dass es den Petersburger Dialog bereits seit fast zwanzig Jahren gibt und er damit „ein anschauliches Beispiel für kontinuierliche Diplomatie“ ist. Man stelle nach einer „kurzen Zeit des Rückgangs“ jetzt wieder Fortschritt in den Beziehungen zwischen Deutschland und Russland fest, so Lawrow.
Anschließend riss der russische Chef-Diplomat kurz internationale Krisenpunkte an. Lawrow würdigte die Haltung der Bundesregierung zur Erdgas-Pipeline Nord Stream 2. In der Ukraine-Krise könnte Deutschland dagegen im Normandie-Format mehr Druck auf die Ukraine ausüben, die Wirtschaftsblockade des Donbass zu beenden und Minsk II umzusetzen, so Lawrow. Es gäbe jedoch bereits Anzeichen, dass es unter der neuen ukrainischen Regierung besser werde, ergänzte der Politiker. Russland könne jedoch nicht verstehen, warum es dafür sanktioniert werde, dass es die Bewohner der selbsternannten Volksrepubliken in der Ostukraine humanitär unterstützt, während sie von der ukrainischen Seite angegriffen werden.
Die Russland-Sanktionen der EU wiederum, so Lawrow, hätten zu großen Verlusten auch in Deutschland geführt, wie ihm in Gesprächen mit deutschen Wirtschaftsführern immer wieder bestätigt werde, so der Außenminister. Überhaupt sieht Lawrow in der Wirtschaft den richtigen Weg, um enger zu kooperieren. „Die Welt verändert sich rasant. Die Versuche, einige Staaten zu ‚Schurken‘ zu erklären, stoßen bei den meisten Ländern auf Ablehnung. (…) Also lasst uns lieber konstruktiv zusammenarbeiten“, führte der Außenminister aus. Konkret schlug Lawrow eine engere Zusammenarbeit der EU mit der Eurasischen Wirtschaftsunion vor, um einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu schaffen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Deutschen und die Russen an einer guten Zusammenarbeit interessiert sind., schloss der Außenminister.
Hohe Promidichte
Dafür bekam Lawrow langen Applaus aus dem Publikum im Festsaal des ehemaligen Gästehauses der Bundesregierung und jetzigem Hotel Steigenberger auf dem Petersberg. Dort war die Elitendichte so hoch, dass man aus dem Wiedererkennen gar nicht mehr herauskam. Die Ex-Ministerpräsidenten Sachsens und Brandenburgs, Stanislaw Tillich und Matthias Platzeck, saßen in der ersten Reihe neben dem aktuellen und dem vorigen Botschafter der Russischen Föderation in Deutschland.
Allein drei ehemalige deutsche Botschafter in Moskau waren anwesend. Viele aktive Mitglieder des Deutschen Bundestages und der russischen Staatsduma hatten trotz Ferienzeit den Weg nach Bonn gefunden. Ehemalige Staats- und Bundesminister wie Franz Josef Jung oder Gernot Erler waren da. Man hätte auch mit dem letzten DDR-Oberhaupt Lothar de Maiziere, dessen letztem Außenminister Markus Meckel und Horst Teltschik, dem damaligen Sicherheitsberater von Helmut Kohl, einen Gesprächskreis zu 30 Jahren Mauerfall aufmachen können. Natürlich hatte auch Russland etliche Politiker der ersten Reihe, darunter den Vorsitzenden der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe, Pawel Sawalny, und Michail Fedotow, den Berater des Präsidenten der Russischen Föderation, auf den Petersberg geschickt.
Maas hat noch gute Laune
Der deutsche Außenminister Heiko Maas erzählte locker, dass er gerade erst gestern aus dem Urlaub zurück sei und noch nicht in Berlin war und deshalb noch gute Laune habe. Maas betonte sein gutes Verhältnis zu Sergej Lawrow und die besondere Emotionalität des deutsch-russischen Verhältnisses. Maas gestand ein, dass ihm eine Nähe zu Russland als Saarländer „nicht gerade in die Wiege gelegt wurde“. Aber seit einigen Jahren, die er in Berlin-Charlottenburg wohnt, habe er in seinem Kiez viele gute Erfahrungen mit Russen machen können.
Maas verwies darauf, dass laut einer Umfrage 94 Prozent der Deutschen ein gutes Verhältnis zu Russland wünschen. Das findet der Außenminister beeindruckend. Der SPD-Politiker rief dazu auf, „Schnittmengen“ mit den russischen Partnern zu suchen. Der Außenminister würdigte die neue Waffenruhe in der Ostukraine, die am Sonntag in Kraft treten soll. Auch die Entflechtung der Front in Staniza Luganska im Donbass sei ein großer Erfolg. Abgesehen vom Frieden in Europa, findet der Außenminister auch bei den Konflikten in Syrien und mit dem Iran, dass am Dialog mit Russland kein Weg vorbeiführt.
Auch das Thema Rüstungskontrolle ist für Maas außerordentlich wichtig, wobei der deutsche Außenminister behauptet, dass die USA aus dem INF-Vertrag ausgestiegen seien, weil Russland zuvor dagegen verstoßen habe.
Maas sieht den Petersburger Dialog als Forum, um „verloren gegangenes Vertrauen“ zurückzugewinnen, und versteht die Veranstaltung als „Außenpolitik von unten“.
Liste der Vorwürfe
Der deutsche Ko-Vorsitzende des Petersburger Dialogs, Ronald Pofalla, verlas anschließend Grußworte der Bundeskanzlerin. Der Petersburger Dialog findet unter der Schirmherrschaft von Angela Merkel und Wladimir Putin statt. Pofalla sprach von einem „Bedürfnis nach Austausch“ auf russischer und deutscher Seite.
Pofalla listete in seiner Rede diverse Gemeinsamkeiten und Erfolge auf, baute aber immer auch Kritik ein. So erwähnte er etwa den in Russland wegen Terrorismus verurteilten ukrainischen Regisseur Oleg Senzow, die in der Straße von Kertsch verhafteten ukrainischen Matrosen und in Russland verbotene ausländische NGOs. Besonders verärgert zeigte sich Pofalla darüber, dass Russland immer wieder versuche, Teilnehmer von der Krim für bilaterale deutsch-russische Treffen anzumelden. Das sieht Pofalla als Vertrauensbruch, da Deutschland dem niemals zustimmen würde. Auf der „Habenseite“ sieht Pofalla beispielsweise die Rückkehr Russlands in den Europarat und die gewachsenen Wirtschaftsbeziehungen.
Der russische Ko-Vorsitzende des Petersburger Dialogs, Viktor Subkow, begrüßte explizit Lothar de Maizière, der bis 2015 deutscher Vorsitzender des Petersburger Dialogs war. Während Pofalla als Hardliner gilt, war de Maizière außerordentlich beliebt auf der russischen Seite.
Der russische Vorsitzende des Petersburger Dialogs verlas dann die Grußworte des russischen Präsidenten.
Subkow, der selbst russischer Ministerpräsident war, erinnerte daran, dass im vergangenen Jahr mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier erstmals wieder ein deutsches Regierungsmitglied auf dem Petersburger Dialog in Moskau auftrat. Dass in diesem Jahr sogar die Außenminister teilnehmen, sieht Subkow als Anzeichen für ein „Tauwetter“.
Laschet findet den richtigen Ton
Armin Laschet, der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, wäre bis vor kurzem wohl nur selten im Kontext mit Russland genannt worden. Inzwischen hat der CDU-Politiker innerhalb eines halben Jahres auf allen drei hochrangigen deutsch-russischen Veranstaltungen – der Festveranstaltung des Deutsch-Russischen Forums, der Städtepartnerkonferenz und eben jetzt beim Petersburger Dialog – durchaus bemerkenswerte Reden gehalten, in denen er bewies, dass der West-Politiker durchaus Verständnis für den großen östlichen Nachbarn hat. Laschet hat verstanden, dass die Deutschen bei den Russen fünf Jahre nach Ausbruch der Ukraine-Krise nicht weiterkommen, wenn sie immer nur von der „Annexion der Krim“ sprechen.
Laschet betonte, dass gute Beziehungen zu Russland auch für die westlichen Bundesländer wichtig seien. Und darum sei es gut, dass der Petersburger Dialog erstmals in NRW, auf dem historischen Petersberg stattfinde, wo schon Leonid Breschnew, Boris Jelzin und Michail Gorbatschow zu Gast waren.
Laschet erinnerte an die 27 Millionen sowjetischen Opfer des Zweiten Weltkrieges. „Wir sind dem russischen Volk dankbar, dass sie uns nach diesem Schrecken die Hand zur Versöhnung gereicht haben“, so Laschet. Der Politiker erwähnte auch die Ostpolitik von Willy Brandt, die hier in Bonn konzipiert wurde. Zum Schluss würdigte Laschet die besonnene Reaktion der Sowjetunion, als die Berliner Mauer fiel.
Ein Teilnehmer meinte am Rande: „Die Russen muss man emotional ansprechen. Das hat der Laschet gut gemacht. Pofalla dagegen hat nur seine Liste abgearbeitet.“
Im Anschluss an die Eröffnung lud Laschet, quasi als Gastgeber, die Gäste des Petersburger Dialogs zu einem Empfang auf Schloss Drachenburg in Königswinter ein.
Am Freitag wird der Petersburger Dialog in bilateralen Sitzungen in zehn Arbeitsgruppen fortgesetzt.
sputniknews
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