Verlieren will gelernt sein

  22 Juli 2019    Gelesen: 979
Verlieren will gelernt sein

Nach ihrer unerwarteten Niederlage zum Auftakt der Schwimm-WM zeigt sich: Katie Ledecky ist keine gute Verliererin. Seit 2013 hatte sie die Konkurrenz dominiert wie niemand sonst.

Ungewohnt, anders - das waren die Worte, die Katie Ledecky nutzte, um dieses WM-Finale über 400 Meter Freistil zu beschreiben. Ein Finale, das den Zuschauern gab, was es zuvor versprochen hatte. Der australische Teenager Ariarne Titmus lieferte den Fans in der Schwimmhalle der Nambu University im koreanischen Gwangju den erhofften Kampf gegen die Urgewalt aus den USA. Die 18-Jährige startete forsch in ihr Rennen, das hatte auch Ledecky erwartet. Auf den dritten 100 Metern hatte der US-Superstar die Herausforderin aber abgefangen. Den Zuschauern blieb nur, abzuwarten, wie groß der Abstand werden würde. Alles wie immer also.

Doch dann kamen die letzten 50 Meter der Ariarne Titmus. Und Ledecky, die dominierende Kraft auf dieser Strecke, schien keine Antwort auf den Angriff zu haben. Mehr noch: Von ihr kam keine Gegenwehr, die Beinarbeit hatte Ledecky fast komplett eingestellt. 1,83 Sekunden war Titmus auf dieser letzten Bahn schneller als die Olympiasiegerin.

Für Ledecky war dieses Ergebnis so ungewohnt, so anders, dass sie sich offenbar nicht mal erinnerte, dass es im Sport dazugehört, der Gewinnerin zu gratulieren. Von Ledecky gab es für die ungläubig dreinblickende Titmus lediglich einen leichten Schulterklopfer, dann war der US-Superstar verschwunden. Auch in der Interviewzone hielt sie vor keiner Kamera und keinem Mikrofon an. Das tat die Australierin. Auf die Frage, wie sie sich fühle, war ihr doch etwas gelungen, was vorher noch niemandem gelungen war, sagte der Teenager: "Ich fühle mich recht normal."

In Titmus' Heimat wurden sogleich Erinnerungen wach an einen 15 Jahre alten Ian Thorpe, der ähnlich frech einen gewissen Grant Hackett, den damaligen Platzhirsch auf den 400 Meter Freistil, bei der Heim-WM in Perth 1998 vom Thron stieß. Ledecky wiederum fühlt sich vielleicht an ihr jüngeres Ich erinnert.

Katie Genevieve Ledecky ist es nicht gewohnt zu verlieren, schon ihre Highschool verließ sie mit jedem Schulrekord in der Tasche. Auf jeder Strecke. In jeder Disziplin, außer den technisch anspruchsvollen Bruststrecken.

Mit 15 Jahren war Ledecky die jüngste US-amerikanische Teilnehmerin bei den Olympischen Spielen in London - und nach ihrem Sieg über 800 Meter Freistil die jüngste Olympiasiegerin. Dieser Erfolg änderte vieles für den Teenager. Ihre langfristigen Ziele wirkten plötzlich obsolet. Für Olympia qualifizieren? Erledigt. Ein olympisches Finale erreichen? Erledigt. Olympiasiegerin werden? Erledigt. Weltrekord schwimmen? Erledigt. Letzteres in einer Zeit, in der die Schwimmwelt nach einer WM 2009 mit 42 Weltrekorden, aufgestellt in den mittlerweile verbotenen Hightech-Anzügen, noch dachte, nie wieder internationale Bestmarken im Becken zu sehen.

Ledecky begann zu verstehen, dass sie die beste Schwimmerin der Welt sein könnte. Ein Eindruck, den sie bei der WM 2013 mit Gold über 400, 800 und 1500 Meter Freistil bestätigte. Für die WM 2015 schrieb sie sich erstmals auch die 200 Meter ins Programm, siegte in allen vier Rennen sowie mit der langen Freistilstaffel, verbesserte ihre Weltrekorde über 800 und 1500 Meter - und schrieb damit als 18-Jährige Schwimmgeschichte.

An diesen unbeschwerten Teenager mag sich Ledecky erinnert gefühlt haben, als sie Ariarne Titmus schwimmen und siegen sah.

Doch gerade für Langstreckenschwimmer ist die Zeitspanne, Außergewöhnliches zu leisten, vergleichsweise kurz. Selbst für ein "Biest" wie Ledecky, wie sie Teamkollege Ryan Lochte einst nannte, und von der bekannt ist, dass sie sich die besonders harten Serien konträr zur Lehrmeinung in die zweite Hälfte einer Einheit legt, um die Grenze des Belastungsschmerzes zu erhöhen.

Bereits bei der WM 2017 zeigte die Langlebigkeit des Ausdauer-Ausnahmetalents Schwächen, als Ledecky sich über 200 Meter Federica Pellegrini geschlagen geben musste. Schon in Budapest war zu erkennen, dass sich der Körper des zuvor recht schmalen Teenagers verändert hat. Sie ist kräftiger geworden, schwerer. In den vergangenen Jahren hat sie erneut Kraft und Masse zugelegt.

Es ist eine der größten Herausforderungen für Trainer, den richtigen Weg zwischen Kraftaufbau, Lastverringerung und Erhalt der Beweglichkeit zu finden. Ein bisschen mehr, ein bisschen härter, aber gerade beim Übergang vom Mädchen zur Frau, wenn die vom Leistungssport verzögerte Pubertät einsetzt, lassen sich die Intensitäten längst nicht so offensiv erhöhen wie bei Jungs. Dazu müssen die Schwimmer ihre so penibel eingestellten Körper im Wasser neu justieren.

"Meine Beine haben zugemacht"

Auch Ledecky hadert offenbar mit den Veränderungen. Das hat man an der unsouveränen Reaktion auf die Niederlage gesehen - und das hat man gehört, als die 22-Jährige nach der Siegerehrung doch noch vor die Presse trat.

"Nach der letzten Wende haben meine Beine zugemacht, sie fühlten sich wie tot an", sagte Ledecky. Körperlich habe sie sich sehr stark gefühlt, genau erklären könne sie sich dieses Rennen noch nicht. "Ich dachte eigentlich, dass ich zur rechten Zeit angegriffen habe, aber sie blieb eben immer dran, bereit, vorbeizuziehen, wenn ich zurückfalle. Und so ist es dann ja auch gekommen."

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Sie sei eben in ihrem Schwimmerleben "erst drei oder vier Mal" gegen Sportlerinnen geschwommen, die wie sie unter vier Minuten bleiben können. "Das ist ungewohnt für mich, das kann ich zu Hause bei Wettkämpfen nicht wirklich reproduzieren", sagte Ledecky, die sich am Morgen mühelos für das Finale über 1500 Meter Freistil qualifizieren konnte. Die deutsche Medaillenhoffnung Sarah Köhler zog als Drittschnellste mit deutschem Rekord in den Endlauf am Dienstag ein.

Für Ledecky gelte es jetzt, den Reset-Knopf zu drücken, sich zu fokussieren, "den Kampf wieder aufzunehmen". Die Konkurrenz über 1500 Meter wird diese Niederlage zu spüren bekommen.

spiegel


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