Dienstagnachmittag war es soweit: Am Ende seiner Rede vor der Senatskammer kündigte Italiens Premier Giuseppe Conte seinen Rücktritt an. Er werde nun zu Staatsoberhaupt Sergio Mattarella gehen und sein Mandat zurückgeben. Mit diesem letzten formalen Schritt war dann, gegen 20.30 Uhr, der endgültige Schlussstrich unter die Regierungskoalition zwischen der populistischen Fünf-Sterne-Regierung und der rechtsnationalen Lega gezogen. Gerade einmal 14 Monate haben es die zwei ungleichen Partner miteinander ausgehalten. Ob es jetzt wirklich zu Neuwahlen kommt, wird sich aber erst in den kommenden Tagen zeigen.
Die gestrige Debatte im Senat war, was diese Frage angeht, eher verwirrend. Alle Optionen blieben weiter auf dem Tisch - Neuwahlen, eine Regierungskoalition zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und der Sozialdemokratischen Partei PD und sogar eine Koalition "Ursula". Letztere Variante hatte vor ein paar Tagen der ehemalige EU-Kommissionspräsident und zweimalige Premier, Romano Prodi, vorgeschlagen. Der Name "Ursula" bezieht sich auf die Fünf-Sterne, PD und Silvio Berlusconis Forza Italia, die allesamt für Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin gestimmt haben.
Salvinis erster großer Fehler
Als Salvini am 8. August die Koalition platzen ließ, schien es ihm gar nicht schnell genug zu gehen, die Italiener wieder an die Wahlurnen zu bitten. Doch die Eile verleitete ihn zu so manchem Fehler. Der erste war, seine Gefolgschaft aufzurufen, ihm "pieni poteri", alle Vollmachten, zu erteilen. Eine Wortwahl die ihm gestern auch Premier Conte vorwarf. Denn "pieni poteri" hatte am 16. November 1922 auch Diktator Benito Mussolini gefordert. Salvini selber war sich des Fehltritts bewusst und versuchte, diesen zu korrigieren, indem er Kontakt zu Berlusconi und seiner Forza Italia aufnahm. Die Partei steht zwar nicht mehr hoch in der Wählergunst, gilt aber als moderat, was so manchem Wähler die Angst vor einem autoritären Wandel nehmen sollte.
Berlusconi zeigte sich für eine zukünftige Koalition mit der Lega offen, doch seine Leute würden unter der Flagge seiner Partei den Wahlkampf bestreiten und nicht, wie von Salvini vorgeschlagen, in eine Kandidatenliste der Lega eintreten. Salvini war über diese Antwort wenig erfreut und streckte die Fühler wieder in Richtung Fünf-Sterne-Bewegung aus. In seiner gestrigen Rede vor dem Senat dann hatte er plötzlich mehr Zeit. Wenn es nur darum gehe, die Parlamentsreform zu Ende zu bringen, um die Zahl der Parlamentarier zu kürzen, und das Haushaltsgesetz zu verabschieden, "bin ich bereit, die Neuwahlen aufzuschieben". Die ehemaligen Partner wiesen das Angebot jedoch zurück.
"Ich habe Merkel nie um Rat gebeten"
Warum sich Salvini mit seiner Regierungsaufkündigung verzockt haben könnte, hat Premier Conte in seiner gestrigen Rede auf den Punkt gebracht. Davor hat er ihm aber ordentlich die Leviten gelesen. Salvini habe in seiner Rolle als Vize-Premier und Innenminister unverantwortlich, unsensibel und respektlos den demokratischen Institutionen und den Italienern gegenüber gehandelt, stutzte Conte ihn zurecht. Und außerdem habe er sich von seinem Souveränitätsdrang in die Irre führen und vom Ergebnis der EU-Wahlen blenden lassen. Diese hatten der Lega 34,3 Prozent beschert, während die Fünf-Sterne auf 17 Prozent hinunterrutschten. Doch warum habe er erst jetzt und nicht gleich nach den EU-Wahlen den Stecker gezogen?, fragte ihn Conte. Und warum versuche er nun, zurückzurudern?
Salvini antwortete nicht auf Contes Fragen, sondern holte zum Gegenangriff aus. Er hätte keine Angst vor Neuwahlen, verkündete er. Italien sei ein souveränes Land und er "ein freier Mensch", deswegen dulde man keinen noch so "gütigen Gebieter". Mit dieser Aussage spielte Salvini wieder einmal auf die EU an und auf die "befangenen" Parlamentarier und Politiker, die für Ursula von der Leyen gestimmt haben und die deutsche Bundeskanzlerin immer wieder um Rat bitten. "Ich habe Merkel nie um Rat gebeten."
Die Regierung gibt es nicht mehr, das Spiel ist aber noch nicht zu Ende. Staatsoberhaupt Mattarella wird jetzt die Parteien einzeln zu sich bitten, um nach einer neuen parlamentarischen Regierungsmehrheit zu sondieren. Zum Beispiel zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und der PD. Diese Option ist zwar nicht unwahrscheinlich, aber doch sehr fraglich. Wenn es nicht dazu kommen sollte, dann wird Sergio Mattarella Neuwahlen verkünden. In zwei, drei Tagen müssten die Italiener endlich wissen, in welche Richtung das Land steuert.
Quelle: n-tv.de
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