Riesendrohnen überqueren Deutschland

  30 Januar 2016    Gelesen: 965
Riesendrohnen überqueren Deutschland
Seit Anfang der Woche sind Piloten im deutschen Luftraum nicht mehr alleine: Hoch über ihnen - unerreichbar für Privatflieger und Jets - düsen unbemannte Hightech-Aufklärer des US-Militärs zum Einsatz. Die Bundesregierung besteht auf ausgeschaltete Sensoren.
Die US-Riesendrohne "Global Hawk" hat erstmals Deutschland überquert, um ihr Einsatzgebiet über der Ostsee zu erreichen. Das unbemannte Fluggerät habe sich bereits zu Wochenbeginn zwei Mal für jeweils 85 Minuten im deutschen Luftraum aufgehalten, wie das Bundesverteidigungsministerium mit einigen Tagen Verzögerung mitteilte. Dabei hätte die US-Aufklärungsdrohne Deutschland im "dafür vorgesehenen Korridor im Transit" überflogen.

Der "Global Hawk" ist in der Abmessung und den Leistungsdaten nahezu baugleich mit der Skandaldrohne "Euro Hawk", die letztlich an einer fehlenden Zulassung für den deutschen Luftraum gescheitert war. Der US-Hersteller Northrop Grumman hatte sich geweigert, der deutschen Luftfahrtaufsicht Einblick in die Steuerungselektronik zu gewähren. Weil damit unklar blieb, wie die Drohne im Fall eines technischen Problems oder einer Luftnotlage reagiert, blieb den Experten nichts anders übrig, als die Freigabe gemäß geltenden europäischen Rechts zu verweigern.

Die US-Drohnen sind auf Sizilien stationiert und überfliegen Deutschland auf dem Weg zur Ostsee. Sie kehren noch am selben Tag zu ihrem Standort zurück. "Das unbemannte U.S. Luftfahrzeug vom Typ Global Hawk durchquert auf dem Weg von Sigonella (auf Sizilien) über Italien und Frankreich den Luftraum über Deutschland in einem eigens dafür eingerichteten Korridor, um sein Operationsgebiet über der Ostsee zu erreichen", heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums. "Anschließend fliegt es von dort aus wieder auf derselben Route zurück zu seiner Basis in Sigonella."

Um Deutschland von Süd nach Nord zu überqueren, müssen die "Global Hawks" eine Strecke von rund 760 Kilometer zurücklegen. Bei einer Aufenthaltsdauer im Luftraum von etwa einer Stunde und 25 Minuten ergibt sich daraus eine Reisegeschwindigkeit von gut 530 Stundenkilometern.

40 Meter Spannweite

Gefahr für den zivilen Flugverkehr besteht nicht: Den deutschen Luftraum durchqueren die ferngesteuerten Militärfluggeräte in einer Höhe von 15 Kilometern - weit außerhalb der üblichen Reiseflughöhen ziviler Fracht- und Passagiermaschinen. "Starts oder Landungen in Deutschland sind dabei nicht vorgesehen", heißt es aus Berlin. "So können direkte Auswirkungen auf den Luftverkehr über Deutschland weitestgehend ausgeschlossen werden."

Bei den fraglichen Maschinen handelt es sich um beeindruckende Fluggeräte: Die 14,5 Meter langen Roboterflugzeuge kommen auf eine Spannweite von fast 40 Metern und gehören zu den größten, schwersten und modernsten Drohnen der Welt. Sie können bei Bedarf bis in eine Höhe von mehr als 18 Kilometer aufsteigen, riesige Strecken überwinden und dabei insgesamt mehr als 24 Stunden in der Luft bleiben.

Eigentlich sollte der erste Überflug in einem eigens dafür eingerichteten Korridor bereits im Oktober stattfinden. Er verzögerte sich aber, weil es weiteren Absprachebedarf zwischen den USA und den zu überfliegenden Staaten gab. Die "Global Hawk"-Flüge zählen zur Nato-Unterstützung für die östlichen Bündnispartner im Zuge der Ukraine-Krise.

600 Millionen Euro im Feuer

Für den deutschen Drohnen-Skandal sind die Überflüge von nicht geringer Bedeutung: Der "Global Hawk" bildet - bis auf die hochgeheime US-Überwachungstechnik an Bord - die Grundlage für das Projekt "Euro Hawk", von dem es bislang nur einen Prototypen gibt. Das Bundesverteidigungsministerium hatte das Projekt 2013 im Zuge des Eurohawk-Skandals vorerst gestoppt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Entwicklung einer europäischen Drohne bereits 600 Millionen Euro an Steuergeldern verschlungen.

Grund für den Projektstopp waren nicht etwa technische Mängel oder die luftfahrttypischen Verzögerungen in der Entwicklung, sondern einzig und allein Probleme bei der Zulassung für den deutschen Luftraum. Im Mai soll der Prototyp nun allerdings für Testflüge reaktiviert werden. Wenn die Frage der Genehmigungen gelöst sind, wäre ein friedliches Neben- beziehungsweise übereinander von zivilem Flugverkehr und Militärdrohnen durchaus denkbar.

Die Überflüge der US-Drohnen sollten aber keinesfalls als eine Art Einführung der Drohnenflüge durch die Hintertür verstanden werden. "Bei den geplanten Überflügen handelt es sich um Einzelfallentscheidungen, die ausschließlich auf die Nutzung des deutschen Luftraums ohne geplante Starts und Landungen in Deutschland fokussieren und aus denen daher keine generellen Regelungen für eine dauerhafte Nutzung ableitbar sind", betonte das Verteidigungsministerium.

Robotoraugen am Himmel

Bis es mit dem "Euro Hawk" so weit ist, können Fluglotsen dennoch bereits reichlich Praxiserfahrung sammeln: Das US-Militär hat angekündigt, dass weitere "Global Hawk"-Flüge folgen werden - bis zu fünf pro Monat. Die Ausnahmegenehmigungen gelten bislang allerdings nur bis April.

Die Aufklärungstechnik wird bei den Überflügen abgeschaltet. Das haben die Amerikaner nach Angaben des Verteidigungsministeriums zugesagt. Die Linke befürchtet dennoch, dass die Drohne auch über Deutschland Daten sammelt. "Die Zusage der Amerikaner reicht mir da nicht aus - vor allem vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem US-Geheimdienst NSA", sagte Verteidigungsexperte Alexander Neu.

Immerhin riskieren die Amerikaner den gesamten Drohnen-Transit, sollten die Drohnen entgegen ihrer Zusage doch den einen oder anderen Blick auf Deutschland werfen. Die Bundesregierung klingt in dieser Sache scharf entschlossen: "An Bord Global Hawk befinden sich Aufklärungssensoren, deren Betrieb bei der Erteilung der Überfluggenehmigung durch das Bundesministerium der Verteidigung strikt untersagt wurde."

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