Weil der Aktienwert von Thyssenkrupp drastisch eingebrochen ist, muss der Industrie-Riese mit rund 160.000 Mitarbeitern den Top-Börsenindex Dax verlassen. Damit gehe „auch symbolisch ein wichtiges Kapitel der deutschen Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte zu Ende“, ordnet der Wirtschaftshistoriker Plumpe die Entscheidung der Deutschen Börse ein. Die 1999 fusionierten Unternehmen Thyssen und Krupp hätten bis in die 1960er-Jahre die deutsche Industriegeschichte geprägt.
Prestigeverlust für den Konzern
Die Deutsche Börse hatte am Mittwochabend nach Handelsschluss mitgeteilt, dass das Dax-Gründungsmitglied Thyssenkrupp nach einem drastischen Kursverfall durch den Triebwerkhersteller MTU ersetzt wird (Audio-Link). Für den mehr als 200 Jahre alten Konzern ist das ein Prestigeverlust. Der Abstieg in die zweite Börsenliga M-Dax führe allen vor Augen, „wo wir stehen und wie wir wahrgenommen werden“, kommentierte Vorstandschef Kerkhoff die Entscheidung der Börse. „Dass uns der Abstieg aus dem DAX enttäuscht, steht außer Frage. Man muss aber auch ehrlich sein: Unsere Performance war zu schwach, daher ist der Gang in den M-DAX die logische Konsequenz.“
Rund 160.000 Mitarbeiter an Standorten in 78 Ländern beschäftigen die Essener. Die Beteiligungsliste umfasst fast 500 Positionen – „eine riesige Ansammlung an Unternehmen“, die „nicht richtig integriert wurden“, hatte Kerkhoff vor einiger Zeit eingeräumt. An der Börse werden solche Konglomerate immer unbeliebter. Der kleinere Nachfolger MTU steht mit seinem konzentrierten Geschäftsfeld aus Sicht der Anleger besser da.
MTU profitiert vom Wachstum der Luftfahrt
Das Münchner Unternehmen mit gut 10.000 Mitarbeitern und 4,6 Milliarden Euro Jahresumsatz profitiert vom Wachstum der Luftfahrt. Da immer mehr Menschen weltweit fliegen, sind Triebwerke gefragt. Übertroffene Jahresziele und sehr gute Geschäfte haben die Aktie binnen eines Jahres um 32 Prozent hoch getrieben. Über zehn Jahre steht ein Plus von 750 Prozent.
Beim Ruhrkonzern Thyssenkrupp hatte sich dagegen die Krise in den vergangenen Jahren zugespitzt. Die Finanzdecke ist dünn – unter anderem eine Folge von milliardenschweren Fehlinvestitionen in Stahlwerke in Brasilien und den USA. Die als Befreiungsschlag geplante und über Jahre vorbereitete Stahlfusion mit dem indischen Konkurrenten Tata wurde von der EU untersagt. Kerkhoff sagte daraufhin auch die Aufspaltung des Konzerns in zwei eigenständige Unternehmen ab.
Um Einnahmen für eine Neuaufstellung des Konzerns zu bekommen, plant Kerkhoff jetzt den Börsengang oder einen Verkauf der profitablen Aufzugssparte (Audio-Link). Die Aufzüge sind bei Thyssenkrupp momentan fast das einzige Geschäft, das Gewinne einfährt. Zudem hat der finnische Konzern Kone offiziell sein Interesse angekündigt. Vorstandschef Ehrnrooth sagte der „Rheinischen Post“, die Aufzugssparte von Thyssenkrupp würde perfekt zu Kone passen.
Für die Beschäftigten hat der Dax-Abstieg keine direkten Folgen. Sie sind aber von dem Konzernumbau betroffen, bei dem 6.000 Arbeitsplätze gestrichen werden sollen – 4.000 davon in Deutschland. Betriebsbedingte Kündigungen seien „eine rote Linie“, die nicht überschritten werden dürfe, haben IG Metall und Betriebsrätegewarnt.
So kommt man in den Dax
Der Dax (Deutscher Aktienindex) ist der bedeutendste deutsche Aktienindex. Er misst die Wertentwicklung der 30 größten und (bezogen auf die Streubesitz-Marktkapitalisierung) liquidesten Unternehmen des deutschen Aktienmarktes und repräsentiert rund 80 Prozent der Marktkapitalisierung börsennotierter Aktiengesellschaften in Deutschland.
Damit ein Unternehmen in den Dax aufgenommen wird, muss es im Prime Standard gelistet sein, fortlaufend in Xetra gehandelt werden und mindestens einen Streubesitz von zehn Prozent aufweisen. Außerdem muss das Unternehmen einen Sitz in Deutschland haben oder den Schwerpunkt seines Handelsumsatzes an Aktien in Frankfurt am Main und einen Sitz in der EU haben. Als Sitz des Unternehmens kann sowohl der juristische Sitz als auch das operative Hauptquartier, also der Sitz der Geschäfts- beziehungsweise Verwaltungsführung gelten.
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