Kia ProCeed GT - AMG des kleinen Mannes?

  16 September 2019    Gelesen: 852
  Kia ProCeed GT - AMG des kleinen Mannes?

Der Kia ProCeed ist ein waschechter Designer-Kombi. Ein solches Fahrzeug hat nur noch Mercedes mit dem CLA Shooting Brake im Portfolio. Aber kann der Koreaner mit seiner dicht am Original befindlichen Interpretation gegen die Premium-Liga anspielen?

Bei der momentanen Strahlkraft der Elektromobilität sollte man nicht vergessen, dass es auch noch andere Autos gibt, die einen von A nach B bringen: Autos mit Verbrennungsmotoren. Ein sehr schickes Modell dieser Zunft ist momentan der Kia ProCeed. Wenn man ihn sieht, hat man das Gefühl, einem Mercedes CLA Shooting Brake mit Tigernase gegenüberzustehen. Na ja, am Heck findet man dann auch noch was vom Porsche Panamera wieder. Kia ist momentan mit seinen Autos auf einem guten Weg, die Premiummarke des kleinen Mannes zu werden.

Für echte Sportfreunde gibt's den GT

Denn neben dem ProCeed gibt es für echte Sportfreunde den Stinger und für die Anhänger der Offroad-Optik seit Neuestem den XCeed. Der wiederum scheint äußerlich eine Blaupause des Mercedes GLA zu sein. Hat man früher noch über die Chinesen geschimpft, die Designlinien erfolgreicher Fahrzeuge einfach kopierten, sieht man bei einer Ikone wie Designchef Peter Schreyer gelassen darüber hinweg. Und das ist ja auch in Ordnung, denn in den Ceed-Modellen steckt noch genug eigener Geist, um sie als Kia durchgehen zu lassen.

Doch kommen wir zurück zum ProCeed. Den gibt es nämlich auch in einer verschärften GT-Ausführung. Die ist dann auch gleich so etwas wie ein koreanischer AMG. Na gut, ein AMG mit asiatischer Bescheidenheit. Der Vierzylinder unter der langen Haube schöpft aus 1600 Kubikzentimetern Hubraum aber immerhin noch 204 PS und drückt 265 Newtonmeter auf die Vorderräder.

Und da sind wir auch gleich bei der schönsten Sache der Welt, beim Fahren, beim flotten Fahren. Wobei das nicht in allen Einstellungen und Momenten mit dem GT so richtig spritzig ist. Zwar liegt das maximale Drehmoment laut Datenblatt bereits ab 1500 Kurbelwellenumdrehungen an, aber aus dem unteren Drehbereich zur Leistung aufgefordert, braucht der Turbo schon einen recht tiefen Atemzug, bevor er dem Vierender genug Luft gibt, damit er anschieben kann. Schneller und mit knackigen Salven aus den Endrohren geht es im Sport-Modus nach vorne. Als zweite Fahrstufe sorgt der nämlich dafür, dass der Turbo bereits vor dem Sturmlauf etwas Luft in die Backen nimmt und die Drehzahlen im Stand an der 1500 knabbern.

So vorgespannt, schießt der ProCeed GT dann auch ganz famos aus den Startlöchern. Mit 7,5 Sekunden auf Tempo 100 muss man den AMG zwar ziehen lassen, aber alles, was normalerweise an der Ampel Beef sucht, kann mit etwas Geschick verblasen werden. Das mag mit dem Handschalter noch etwas flotter gehen, aber wer beim sauber schaltenden siebenstufigen Automatikgetriebe die Schaltwippen nutzt, sollte eigentlich auch kleinen unnötigen Verzug erleben. Per Hand oder eben mit dem Automaten geht es dann bis auf Tempo 225. Da guckt mancher Premiumfahrer nicht schlecht, wenn der ProCeed GT an ihm vorbeifliegt.

Der trinkt zu oft über den Durst
Doch auch der ProCeed-Fahrer könnte große Augen bekommen. Nämlich genau dann, wenn er den Verbrauch im Auge behält. Der Testwagen verhielt sich hier auch bei zurückhaltender Fahrweise anders, als es das Datenblatt erwarten ließ. War auf dem Papier noch die Rede von einem durchschnittlichen Verbrauch von 6,2 Litern, standen beim Testwagen am Ende 10,2 Liter auf der Uhr. Das ist deutlich zu viel und lässt sich am Ende auch nicht mit den Leistungsdaten begründen. Schon gar nicht, wenn die nicht ausgefahren werden.

Während sich der ProCeed GT also beim Verbrauch zum echten Sportwagen aufschwingt, macht er auch beim Fahrwerk keinen Hehl daraus, dass er ein solcher sein möchte. Im Gegensatz zu seinen Alltags-Brüdern haben die Ingenieure ihn 22 Prozent straffer abgestimmt und die Stabilisatoren drei Prozent steifer ausgelegt. Das heißt, bei knackigen Querfugen kann die Plombe schon mal wackeln. Dafür lässt sich der ProCeed GT so gestärkt problemlos in die Kurven werfen. Macht man das in schnell aufeinander folgenden Wechselkurven, merkt man ein leichtes Untersteuern, das aber nie zum Problem wird. Zumal die in Sport gestraffte Lenkung gute Rückmeldung gibt.

Der fast mehr als der Mercedes

Wer allerdings wie beschrieben fährt, ist in der Regel allein im Auto. Da aber bis zu fünf Personen im ProCeed GT befördert werden können, lohnt sich auch ein Blick auf die Plätze. Für die erste Reihe gibt es da keine Probleme. Außer vielleicht den Umstand, dass es nicht jedermanns Sache ist, sich beim Aussteigen aus den tief liegenden Sportsitzen zu schälen. Wenn man aber drin ist, erfreuen die durch einen ausgezeichneten Seitenhalt und straffe Auflagen, die auch auf langen Strecken die rückwärtigen Dienste nicht quälen.

Quälen könnte aber das auch in Normal sportliche Knurren des Triebwerks. Auf Dauer ist der Ton dann schon etwas aufdringlich. So jedenfalls die Aussage der Beifahrerin. Liegt wohl daran, dass die Gene hier nicht zu 100 Prozent auf Sportwagen gepolt sind.

Passagiere in der zweiten Reihe müssen nicht nur den rauen Sport-Ton aushalten, sie reisen auch nicht so komfortabel wie in Reihe eins. Bauartbedingt ist die Kopffreiheit bei einem Shooting Brake nicht so üppig wie in einem Kombi, zudem müssen die Reisenden tief in ihre Sitze eintauchen. Zwei Mann gehen hinten in Ordnung, ein dritter kann über kurze Strecken geduldet werden, möchte aber auch von sich aus hier nicht über die Langdistanz reisen. Dafür lädt das Gepäckabteil mit 594 Litern unbedingt zur Urlaubsreise ein. Schließlich sind das 99 Liter mehr, als ein Mercedes CLA Shooting Brake zur Verfügung stellt. Wer die zweite Reihe flach macht, kann in der Tiefe auf 1545 Liter zugreifen. Hoch bauen lässt sich ob der stark abfallenden Dachlinie nicht.

Viele Assistenten an Bord

Obgleich der Fahrer auf Rundinstrumente blickt, die in ihrer Tubenoptik auch eins zu eins aus dem C 117 - also dem ersten CLA Shooting Brake - stammen könnten, haben die Koreaner doch einiges an moderner Technik in den ProCeed GT gepackt. Bereits ohne Zuzahlung gibt es einen Frontkollisionswarner mit Bremseingriff und Fußgängererkennung, Querverkehrs- und Müdigkeitswarner, Fernlichtassistent und für die Ausführung mit Automatikgetriebe eine adaptive Geschwindigkeitsregelanlage mit Stop-and-go-Funktion. Auch ein aktiver Spurwechsel- und Spurhalteassistent sind Serie. Allerdings ist letztgenannter bei gelben Streifen in Baustellen überfordert und steigt dort aus. Was nicht aussteigt und ganz hervorragend funktioniert, ist der Parkassistent, der nicht nur in die Lücke schiebt, sondern sie vorher auch noch in Längs- oder Querrichtung vermessen und für gut befunden hat.

Am Ende bekommt man für 31.190 Euro mit dem Kia ProCeed GT nicht nur ein technisch sehr gut ausgestattetes und richtig sportliches Auto, sondern auch die bekannten sieben Jahre Garantie. Nur zum Vergleich: Ein Mercedes CLA 220 Shooting Brake mit 190 PS kostet bereits ohne die oben angeführten Assistenzsysteme 37.878 Euro. Eine Leistungsstufe drüber sind es mit 240 PS bereits 40.246 Euro.

Fazit: Es gilt auch beim Kia ProCeed GT: Wer keinen Dünkel hat, der kann mit dem koreanischen Designer-Kombi ein echtes Schnäppchen machen. Denn er bekommt nicht nur ein sehr schickes und gut verarbeitetes Auto, sondern auch viel Technik fürs Geld. Dazu gibt es eine gehörige Portion Fahrspaß, was in Summe dann auch den etwas hohen Verbrauch aufwiegen dürfte.

Quelle: n-tv.de


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