Hitlers letzter Sieg im Westen

  17 September 2019    Gelesen: 869
Hitlers letzter Sieg im Westen

Vor 75 Jahren versuchen Briten und Amerikaner den Krieg gegen Nazi-Deutschland mit einer riskanten Luftlandeoperation zu verkürzen. Doch das Unternehmen scheitert. In der Schlacht um Arnheim feiert die Wehrmacht ihren letzten Triumph an der Westfront.

Am Mittag des 17. September 1944 spielt sich über der niederländischen Provinz Geldern ein imposantes Schauspiel ab. Eine gewaltige Luftarmada aus Transportmaschinen und Lastenseglern bedeckt den Himmel, während Tausende alliierte Soldaten an ihren weißen Fallschirmen wie Schneeflocken Richtung Erde gleiten. "Market Garden", eine der größten Luftlandeoperationen des Zweiten Weltkrieges, beginnt.

Eine Woche zuvor, am 11. September, hatte der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte, Dwight D. Eisenhower, die Operation genehmigt. Ausgetüftelt hatte "Market Garden" der britische Feldmarschall Bernard Montgomery. Nach der erfolgreichen Befreiung Frankreichs plant er, den deutschen Westwall mit einem schnellen Flankenmanöver zu umgehen und ins Ruhrgebiet vorzustoßen. Dafür sollen zunächst mehr als 35.000 Fallschirmjäger die strategisch wichtigen Brücken über Maas, Waal und Niederrhein im Handstreich erobern, um den nachfolgenden Panzerverbänden den Weg zu ebnen. "Zu Weihnachten ist der Krieg zu Ende", verspricht Montgomery. Doch sein riskanter Plan entwickelt sich zu einem Fiasko: Schlechtes Wetter, Fehler in der Operationsplanung und der unterschätzte Widerstand der Deutschen führten am Ende zu Hitlers letztem Triumph an der Westfront.

Zunächst allerdings scheint an diesem 17. September vieles zu gelingen: Während amerikanische Fallschirmjäger über Eindhoven und Nimwegen abspringen, landen britische Soldaten der ersten Luftlandedivision weiter nördlich im Raum Arnheim. Für die Offensive ist die Brücke der Stadt von besonderer Bedeutung. Sie ist die letzte Hürde beim Vormarsch ins Herz der deutschen Rüstungsindustrie. Wegen falscher Berichte über deutsche Flugabwehrstellungen landen die Briten jedoch mehr als zehn Kilometer weiter westlich als geplant. Der zeitweise Ausfall der Funkverbindung und vereinzelte deutsche Widerstandsnester behindern den Vormarsch. Lediglich 750 Mann des 2. Bataillons unter Führung von Oberstleutnant John Frost erreichen am Abend die Brücke von Arnheim und verschanzen sich in den umliegenden Häusern.

Erbitterte Kämpfe bei Nimwegen

Die Deutschen werden von der Luftlandungen völlig überrascht. Doch der Zufall spielt ihnen in die Hände. In einem abgestürzten Lastensegler finden Wehrmachtsoldaten die Pläne für "Market Garden". Und es kommt noch schlimmer: Montgomery hatte bei seinen Überlegungen Aufklärungsberichte über deutsche Panzer im Raum Arnheim ignoriert. Tatsächlich befinden sich zwei SS-Panzerdivisionen zufällig in dem Gebiet, die sich nun gegen die britischen Fallschirmjäger wenden. Hitler erklärt die Niederschlagung der Offensive zur obersten Priorität. Alle verfügbaren Reserve- und Ausbildungseinheiten in der Umgebung werden in hastig zusammengewürfelten Kampfgruppen organisiert und in die Schlacht geworfen.

In den folgenden Tagen verhindert dichter Nebel in England weitere Fallschirmlandungen und Nachschublieferungen. Zudem gerät der Vormarsch des alliierten Hauptverbandes ins Stocken. Den Deutschen gelingt es, zwei Brücken über den Wilhelminakanal zu sprengen. Bei Nimwegen kommt es zu erbitterten Kämpfen. So gerät der ohnehin schon enge Zeitplan immer weiter in Verzug.

"Gott schütze den König"

In Arnheim spitzt sich die Lage zu. Deutsche Truppen kesseln die Fallschirmjäger des 2. Bataillons ein. Den Panzern haben Frosts Männer mit ihren leichten Waffen kaum etwas entgegenzusetzen. Zudem werden Wasser und Munition knapp. Versuche der übrigen Bataillone, zu ihren Kameraden in Arnheim durchzubrechen, scheitern. "Keine Munition mehr. Gott schütze den König", ist der letzte Funkspruch, den die Eingeschlossenen absetzen. Knapp 88 Stunden nach Beginn der Kampfhandlungen schweigen die Waffen. Frost und gut 200 Männer seiner Einheit geraten in Gefangenschaft.

Die Reste der britischen Luftlandedivision geben daraufhin die Eroberung der Brücke auf und igeln sich in der Nachbargemeinde Oostbeek ein. Doch Hilfe naht. Nachdem die Waalbrücke bei Nimwegen mit mehr als zwei Tagen Verspätung endlich freigekämpft ist, erreichen am 25. September die Spitzen der britischen Wessex-Division das Südufer des Niederrheins bei Oostbeek. In der Nacht werden die verbliebenden Fallschirmjäger abgezogen. Die Schlacht um Arnheim ist verloren, die Operation "Market Garden" gescheitert.

Die Brücke von Arnheim übersteht den Krieg nicht

Mehr als 2900 allliierte Fallschirmjäger kostet die Offensive das Leben. 6000 werden verwundet oder geraten in Gefangenschaft. Besonders die britische Luftlandedivision ist dezimiert. Von den 10.000 Mann der Einheit schaffen es nur knapp 1741 zurück zu den eigenen Linien. Nach "Market Garden" wird die Division nicht mehr in Kampfhandlungen eingesetzt. Insgesamt belaufen sich die alliierten Verluste auf mehr als 17.000 Mann. Die Deutschen verlieren unterschiedlichen Schätzungen zufolge zwischen 3000 und 8000 Soldaten.

Zwar erzielen die Alliierten große Geländegewinne und erweitern die Front nach Norden, bezahlen dies aber mit einer Ausdünnung ihrer Linie in den Ardennen. Diese Schwachstelle nutzen die Deutschen im Dezember während ihrer Ardennenoffensive. Die Überquerung des Rheins und der Vorstoß ins Ruhrgebiet gelingen erst sechs Monate später. Der nördliche Teil der Niederlande bleibt noch bis Frühjahr 1945 unter deutscher Kontrolle.

In den Blick der breiten Öffentlichkeit gerät der Kampf um Arnheim 1974 durch das Buch "A Bridge Too Far" des irischen Schriftstellers Cornelius Ryan. Drei Jahre später verfilmt Regisseur Richard Attenborough das Werk mit Sean Connery und Michael Caine. Die Brücke von Arnheim selbst übersteht den Krieg nicht. Alliierte Bomber zerstören sie wenige Wochen nach "Market Garden". An gleicher Stelle entsteht nach dem Krieg eine neue Brücke. 1977 erhält sie den Namen John-Frost-Brücke.

Quelle: n-tv.de


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