„Das bringt sie aus der Fassung“: Experten über Putins Aufruf an die Nato

  26 September 2019    Gelesen: 946
 „Das bringt sie aus der Fassung“: Experten über Putins Aufruf an die Nato

Wladimir Putin hat die Nato-Länder in einem Schreiben dazu aufgerufen, die Stationierung von Mittel- und Kurzstreckenraketen auf europäischem Boden auszusetzen. Experten kommentieren im Sputnik-Gespräch die Initiative des russischen Präsidenten.

Präsident Putin hat in einem Schreiben vom 19. September zahlreiche Länder und Organisationen dazu aufgerufen, ein Moratorium für die Stationierung von Mittel- und Kurzstreckenraketen in Europa und anderen Weltregionen zu verhängen. Das schreibt die Zeitung „Kommersant“ mit Verweis auf eine mit dem Inhalt des Schreibens vertraute Quelle.

Das Schreiben ist demnach den Regierungen aller Nato-Länder, der Hohen EU-Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini und dem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zugegangen.

„Wir rufen Sie dazu auf, unsere Anstrengungen zu unterstützen, indem Sie dafür eintreten, innerhalb der Nato ein Moratorium für die Stationierung von bodengestützten Mittel- und Kurzstreckenraketen zu verkünden, entsprechend jenem, welches Russland bereits verkündet hat“, heißt es in dem Aufruf.

In dem Schreiben wird auch auf Russlands Willen verwiesen, keine Raketen zu stationieren, solange die USA dies nicht tun. Wie aus dem Aufruf hervorgeht, ist Russland auch nach dem Ende des INF-Vertrags bereit, mit den Mitgliedsländern der Nato bestimmte Verifikationsmaßnahmen zur Rüstungskontrolle zu vereinbaren. Russland hatte den Nato-Mitgliedern früher bereits ähnliche Vereinbarungen angeboten, doch zeigte die Allianz kein Interesse daran.

Insofern dürfte Putins Aufruf die Nato-Mitglieder ziemlich verblüfft haben: „Ein hervorragender Zug des russischen Präsidenten“, sagte Militärexperte Wiktor Baranez im Sputnik-Gespräch. „Wird Putins Aufruf erhört, kann er maßgeblich zu Europas Sicherheitsgarantie beitragen.“

Ja, Putins Schreiben könne die Nato-Leute aus der Fassung bringen. Aber der Aufruf sei so etwas wie eine „neue Formel“ für Europas Sicherheit: „Im Grunde ruft Putin Europa dazu auf, das eigene Gebiet zu ‚entminen‘ – von den US-Raketen zu räumen, die bereits vorhanden und in Kürze zu erwarten sind. Dies ist ein Aufruf Moskaus an die europäische Welt, damit Europa ein Friedens- und kein Kriegskontinent wird“, so der Experte.

„Ich kann mir gut vorstellen, dass die Telefonleitungen zwischen Washington und den anderen Hauptstädten der Nato wegen des Schreibens richtig heiß laufen: ‚Wie soll man auf das friedfertige Angebot Putins reagieren?‘ Wahrscheinlich wird die Nato erstmal eine Pause nehmen, um die überraschende Initiative zu verdauen. Die Amerikaner werden versuchen, sich eine List einfallen zu lassen, wie die Friedfertigkeit von Putins Aufruf zu hintertreiben ist“, sagte Baranez.

Wahrscheinlich ist auch, dass die Nato sich kein Stück verändern wird, sagte Militäranalyst Boris Roschin vom Zentrum für militär-politischen Journalismus im Sputnik-Gespräch: „Auf einen Stopp des Wettrüstens werden sich die Vereinigten Staaten und die Nato-Führung nicht einlassen. Sie haben doch das Wettrüsten entfacht – ganz bestimmt nicht mit dem Ziel, sich Einschränkungen auferlegen zu lassen, die der INF-Vertrag für Sie bedeutete.“

Das Gegenteil sei zu erwarten, sagte der Experte: „Wir werden mit einer weiteren Eskalation des Wettrüstens konfrontiert. Was dann folgt, ist der Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem New START-Abkommen – mit der fadenscheinigen Begründung, Russland habe das Abkommen verletzt und die USA wollten nur das Gleichgewicht wiederherstellen. Höchstwahrscheinlich wird Putins Aufruf ohne vernünftige Antwort verhallen.“

Hintergrund INF-Vertrag:

Der 1987 unterzeichnete Vertrag hatte die USA und die Sowjetunion verpflichtet, alle ihre bodengestützten Raketensysteme kurzer und mittlerer Reichweite (500 bis 1000 respektive 1000 bis 5500 km) zu zerstören.

Im Oktober 2018 verkündete Donald Trump den Ausstieg Washingtons aus dem Vertrag, weil Russland gegen die Vertragsbedingungen verstoßen habe. Beweise führte der US-Präsident nicht an. Im Gegenzug setzte Russland 2019 die Erfüllung des Vertrages aus. Im August dieses Jahres ist der INF-Vertrag abgelaufen.

sputniknews


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