Deutsche Düsen-Holzkiste: Das schlechteste Flugzeug des Zweiten Weltkrieges war…

  27 September 2019    Gelesen: 825
  Deutsche Düsen-Holzkiste: Das schlechteste Flugzeug des Zweiten Weltkrieges war…

Als Ergebnis von Größenwahn und Verzweiflung bezeichnet das US-Magazin „Air & Space“ das deutsche Raketenflugzeug Ba 349 „Natter“. Ein Einweg-Abfangjäger zum Kampf gegen die Bomberarmada der Alliierten: Wie kam man nur auf diese Idee?

Im Februar 1944 verstärkten die Alliierten das Bombardement deutscher Städte und Industriereviere. Die Luftwaffe war zu Gegenmaßnahmen angehalten, nur waren die Kapazitäten der deutschen Rüstungsindustrie nach zweieinhalb Jahren Krieg erschöpft.

Das Reichsluftfahrtministerium gab einen Abfangjäger in Auftrag, der vor allem günstig und aus billigem Material hergestellt sein sollte. Die Verantwortlichen erhofften sich, auf diese Weise zumindest die wichtigsten Ziele mit geringen Verlusten vor den Bomberschwärmen der Alliierten zu beschützen.

Im August 1944 stellten Messerschmitt, Heinkel und Junkers ihre Entwürfe vor. Die Ausschreibung gewann aber eine aus Holz zusammengezimmerte Maschine mit einer Startvorrichtung für ungelenkte Raketen im Bug. Die Holzkiste war darauf ausgelegt, nur einmal zu starten, gesteuert von angelernten Soldaten, keinen Profi-Piloten. Den Kampfsatz von 24 Raketen verschossen, rettete der Steuermann sich mit einem Fallschirm und überließ die Maschine sich selbst.

So verrückt die Idee klang, neu war sie zu dem Zeitpunkt nicht. Der Raketeningenieur Wernher von Braun (der nach dem Krieg für die Amerikaner arbeitete) hatte schon 1937 das Konzept eines Abfangjägers mit Raketenantrieb erarbeitet, der senkrecht starten und nach dem Kampfeinsatz wieder senkrecht landen sollte. Zwei Jahre später stellte von Braun sein Konzept im Reichsluftfahrtministerium vor. „Wir rufen sie zurück“, soll dessen Chef Hermann Göring gesagt haben, nachdem er sich den Entwurf hatte erklären lassen. Görings Mitarbeiter im Ministerium werteten das Konzept als unnütz und unrealisierbar.

Aber bei den Wirtschaftsbossen des Dritten Reichs fand die Idee eines Senkrechtstarters mit Raketenantrieb Zuspruch: Ein gewisser Erich Bachem, technischer Direktor der Fieseler Werke, erachtete das Konzept als überzeugend. Auch dem Reichsführer SS Heinrich Himmler gefiel die Idee. Bachem erhielt einen Auftrag für 150 solcher Abfangjäger, die Luftwaffe bestellte (wohl widerwillig) weitere 50 Stück. Das Projekt erhielt den Namen „Natter“.

Nach nur wenigen Monaten standen mehrere Prototypen der „Natter“ zur Erprobung bereit, schließlich war das Raketenflugzeug in der Konstruktion und in der Herstellung bedingungslos simpel. Die Tragflächen waren im Grunde nur rechteckige Bretter ohne Klappen und Querruder. Der Holzrumpf wies keinerlei Besonderheiten auf, außer der Startvorrichtung für die 24 Luft-Luft-Raketen im Bug. Das Cockpit war eng und auf das Nötigste reduziert. Das Raketentriebwerk des Typs HWK 109-509 wurde von Flüssigtreibstoff befeuert – wie bei der Messerschmitt Me 163 „Komet“, deren Motor vom Ingenieur Helmut Walther entwickelt wurde, der später für die britische Royal Navy arbeitete.

Etwas Schicksalsironie besteht darin, dass der Einweg-Jäger Ba 349 überhaupt nur einmal abhob: Beim Erstflug hielt sich das Raketenflugzeug nur wenige Minuten in der Luft und stürzte danach unkontrolliert zu Boden. Der junge Testpilot starb.

Trotz dieses Misserfolgs wurden 36 Exemplare der „Natter“ gebaut, 18 davon für unbemannte Testflüge. Weitere sechs Maschinen wurden von den Bachema-Mitarbeitern bei Kriegsende zerstört, damit sie nicht an die Alliierten gelangen. Die restlichen Flugzeuge wurden mit Piloten und Technikern verlegt. Dennoch erbeuteten die US-Truppen vier Ba 349 samt technischer Dokumentation, Raketen und Ersatzteilen erbeutet.

Jahrelange wurde eine „Natter“ in der amerikanischen Smithsonian Institution zu Demonstrationszwecken ausgestellt. Gegenwärtig wartet dieses Exemplar auf die Restauration. Eine Maschine gehört dem Deutschen Museum München.

sputniknews


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