Immer wieder war in den vergangenen Tagen die Rede von Nichtangriffspakten zwischen den Tories von Boris Johnson und der Brexit-Partei von Nigel Farage. Der Europaparlamentarier hat nun Klarheit geschaffen: Bei der Vorstellung seiner Wahlkampf-Kampagne forderte er am Freitag eine Brexit-Allianz mit den Konservativen, die zudem offen sein soll für weitere austrittswillige Parteien.
Für Johnson wird Farages Truppe langsam zum Angstgegner. Seit Wochen liegt die Brexit-Partei in Umfragen bei Zustimmungswerden um die 13 Prozent. Das ist zwar deutlich weniger als die Tories mit aktuell 36 Prozent zu erreichen scheinen - doch das britische Wahlsystem könnte sein Übriges tun. Es begünstigt eine Kannibalisierung unter ähnlich ausgerichteten Parteien.
Der Grund: Pro Wahlkreis zieht ausschließlich der Kandidat mit den meisten Stimmen in das Unterhaus ein. Daraus folgt: Alle anderen Stimmen sind de facto wertlos. Besonders in Bezirken, in denen viele Wähler für den Brexit sind, könnten sich Tories und Brexit-Partei also gegenseitig Stimmen klauen.
Außerdem musste Johnson erst in diesem Jahr eine herbe Niederlagen gegen Farage einstecken: Bei den Europawahlen im Mai wurde die Brexit-Partei mit 29 Sitzen stärkste britische Kraft, die Konservativen erhielten lediglich 4 Sitze.
Sollten jedoch die beiden Parteien eine Allianz bilden, würde das entstehen, was Donald Trump in einem Radio-Interview mit Farage als "eine unaufhaltbare Macht" bezeichnet hat. Der britische Politiker hat im Sender LBC eine eigene Sendung, in der nun der US-Präsident sprach.
Farages Brexit-Partei hat bislang keinen einzigen Sitz im britischen Unterhaus. Sie wurde erst im Januar gegründet. Mit 28 anderen Abgeordneten sitzt Farage allerdings im Europaparlament. Pro-europäische Reden quittieren sie zumeist mit hämischem Lachen oder zynischen Zwischenrufen.
Farage trat selbst als Student bei den Konservativen ein. Er verließ die Partei jedoch 1992 wieder, als die Tory-Regierung unter John Major den Maastrichter-Vertrag unterzeichnete. Ein Jahr später gründete er die UK Independence Party (UKIP), die den Austritt des Königreichs aus der EU zum Ziel hatte.
Schon lange bevor der Brexit politische Realität wurde, war dieser Farages Mission. Die mittlerweile als rechtspopulistisch eingestufte UKIP ging Anfang 2019 teilweise in die jetzige Brexit-Partei über.
Fokus auf Brexit-Befürworter in Labour-Hochburgen
Eine Allianz mit den Tories sei die einzige Möglichkeit, so Farage am Freitag, den Austritt aus der EU wirklich durchzukriegen und außerdem Labour im Schach zu halten. Teil seines Plans ist es, die Wahlkreise unter den beiden Parteien aufzuteilen.
- Demnach soll die Brexit-Partei auf Kandidaten in Wahlkreisen verzichten, in denen Tory-Hardliner antreten, die sich gegen Johnsons Deal aussprechen.
- Die Konservativen wiederum sollten sich aus Labour-Hochburgen heraushalten, wo ein hoher Anteil der Wähler 2016 für den Brexit stimmte.
Farages Fokus auf Labour-Hochburgen, in denen es besonders viele Brexit-Unterstützer gibt, kommt nicht von ungefähr. Die Annahme, dass die Wählerschaft der Brexit-Partei ausschließlich aus Tory-Wählern bestehe, sein ein verbreiteter Trugschluss, sagte er. Im Gegenteil - Labour werde am meisten Stimmen an die Brexit-Partei verlieren, prophezeit er. Die Geschichte gibt ihm allerdings nicht recht: In der Wahl 2015 hatten mehr UKIP-Wähler zuvor die Konservative Partei gewählt.
Noch keine formellen Gespräche über Brexit-Allianz
Sollte Johnson einem Pakt allerdings nicht zustimmen, werde die Brexit-Partei entschlossen allein ins Feld ziehen, so Farage. Sie werde um jeden einzelnen Wahlkreis Großbritanniens kämpfen und sicherstellen, dass jeder Haushalt des Landes Informationen darüber erhalte, was für ein Desaster Johnsons Deal sei.
Seine Partei sei dann die einzige, die wirklich für den Brexit stehe, sagte Farage. Statt sich mit einem halbherzigen Deal abspeisen zu lassen, solle man endlich mit der Brexit-Partei den "wirklichen" und "sauberen" Abschied vollziehen - also ohne ein Abkommen austreten. Farage selbst hatte in der Vergangenheit öffentlich eine Entschuldigung von Johnson für dessen Versagen gefordert.
Die Konservativen hatten in der Vergangenheit einen solchen Nichtangriffspakt mit der Brexit-Partei ausgeschlossen, mehrere Abgeordnete hatten ihn kategorisch abgelehnt. Farage sagte bei der Vorstellung seiner Kampagne am Freitag auf Nachfrage, formelle Gespräche hätten bislang nicht stattgefunden.
Informelle Absprachen hingegen fänden statt, auch mit Johnsons engstem Umfeld, behauptete Farage. Einige Konservative würden zwar lieber auf den Erfolg in bestimmten Wahlbezirken verzichten als mit seiner Partei zu paktieren, aber die "große Mehrheit in der Konservativen Partei" wolle das Bündnis.
Farage prophezeite: In den kommenden Tagen würden die Konservativen einsehen, dass sie ohnehin keine andere Wahl hätten, als dem Pakt zuzustimmen. Bislang haben die Tories nicht auf sein Angebot reagiert.
n-tv
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