Eigentlich läuft alles prima für die US-Demokraten, sollte man zumindest meinen. Der Präsident hat mit der Syrien-Politik einen Proteststurm in der eigenen Partei entfacht. Bei der Untersuchung zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren türmen sich die Zeugenaussagen und Beweise gegen Trump. Inzwischen sagt gut die Hälfte der Amerikaner in Umfragen, der Kongress sollte gegen den Präsidenten ein Amtsenthebungsverfahren einleiten.
Trotzdem gibt es für die Opposition durchaus Anlass zur Nervosität.
Denn eine neue Umfrage der "New York Times" in Zusammenarbeit mit dem Siena College zeichnet ein etwas anderes Bild der Lage. Demnach ist die Wahl 2020 längst noch nicht gelaufen - und Trump steht womöglich besser da, als gemeinhin angenommen wird.
Es geht um sechs "Battleground States"
Die Demoskopie-Experten um Nate Cohn haben sich sechs Staaten genauer angeschaut, die bei der kommenden Wahl besonders wichtig werden dürften. Es sind genau jene sogenannten Battleground States, in denen Donald Trump die Wahl 2016 für sich entscheiden konnte: Michigan, Pennsylvania, Wisconsin, Florida, Arizona und North Carolina. Gefragt wurde nach den Präferenzen für die Präsidentenwahl 2020.
Laut der Umfrage liegt Trump dort im direkten Vergleich mit seinem möglichen demokratischen Herausforderer Joe Biden bei registrierten Wählern durchschnittlich nur um zwei Prozentpunkte zurück. Würde Trump gegen Elizabeth Warren antreten, würde er bei diesen Wählern sogar im Durchschnitt um zwei Prozentpunkte vorne liegen. Im direkten Vergleich mit dem dritten potenziellen Kandidaten der Demokraten, Bernie Sanders, käme es zu einem Patt.
Aus Sicht der Demokraten ist das Ergebnis ernüchternd. Es bestätigt eine Befürchtung, die unter demokratischen Strategen schon länger die Runde macht. Obwohl Trump in nationalen Umfragen schlecht abschneidet und selten über mehr als 40 Prozent Zustimmung hinauskommt, genießt er in den Staaten, die am Ende die Wahl entscheiden könnten, durchaus Rückhalt bei den Wählern.
In den Schlüsselstaaten sind es vor allem weiße Angehörige der Arbeiterklasse ohne College-Abschluss, die weiterhin klar zu Trump halten. Laut der Umfrage gaben in den "Battleground States" 90 Prozent der Trump-Unterstützer von 2016 an, mit Trumps Arbeit als Präsident bis heute zufrieden zu sein.Besonders bitter ist die Umfrage für Elizabeth Warren, die in den vergangenen Wochen im Feld der demokratischen Herausforderer eigentlich einen beachtlichen Aufschwung erlebt. Nun zeigt sich, dass sie vielleicht bei der eigenen Parteibasis gut ankommt, insgesamt in Schlüsselstaaten aber ein Problem hat: Demnach liegt sie zum Beispiel in Michigan ganze sechs Prozentpunkte hinter Trump, in Florida ist sie vier Punkte im Minus und in North Carolina drei. In Pennsylvania und Wisconsin liegt sie mit Trump gleichauf, nur in Arizona schafft sie einen Vorsprung von zwei Prozentpunkten.
Aber auch für Joe Biden ist die Sache längst nicht so eindeutig, wie er und seine Anhänger vielleicht hoffen. So liegt Biden in Michigan mit Trump nur gleichauf, in Pennsylvania und Wisconsin hat er einen Vorsprung von lediglich drei Prozentpunkten und in Florida sind es sogar nur zwei Punkte. Diese Ergebnisse der Umfrage sind so knapp, dass sie innerhalb der üblichen Fehlertoleranz solcher Umfragen liegen.
Das alles kann sich natürlich auch wieder ändern. Bis zur Wahl ist es noch ziemlich genau ein Jahr hin. Es ist auch noch nicht sicher, ob Trump nicht vielleicht doch via Impeachment vorzeitig aus dem Amt entfernt wird. Doch für die Demokraten ist die Umfrage ein Alarmzeichen. Einmal mehr zeigt sich: Auch wenn sie in ihren liberalen Hochburgen wie New York oder Kalifornien von der Empörung der Wähler über Trump profitieren können und dort großartige Ergebnisse einfahren, reicht das am Ende womöglich alles nicht, damit Trumps Amtszeit im kommenden Jahr sicher beendet werden kann.
Die Besonderheit des US-Wahlsystems
Zur Erinnerung: Im US-Wahlsystem gewinnt nicht unbedingt derjenige, der die meisten Stimmen hat die Präsidentschaft, sondern es kommt darauf an, möglichst viele einzelne Bundesstaaten zu erobern, um im so genannten Wahlleutegremium ("Electoral College") eine Mehrheit zu erzielen. Das Gremium bestimmt am Ende den Präsidenten; es setzt sich nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel aus 538 Delegierten aus den 50 Staaten und Washington DC zusammen.
So konnte Donald Trump 2016 Präsident werden, obwohl er insgesamt gut drei Millionen Stimmen weniger hatte als Hillary Clinton. Er gewann in entscheidenden Staaten wie Florida, Michigan, Pennsylvania und Wisconsin die Mehrheit und erhielt so auch deren Stimmen im Wahlleutegremium.
Wiederholt sich für die Demokraten das Trauma von 2016?
Fest steht: Für einen klaren Sieg müsste der demokratische Kandidat/die Kandidatin alle Staaten erobern, die Hillary Clinton 2016 gewann und bräuchte wahrscheinlich noch drei der sechs Battleground-Staaten. Nur so kämen die Demokraten über die magische Mehrheitsgrenze von 270 Stimmen im Wahlleutegremium.
Weil Trump insgesamt so unbeliebt ist, glauben die Demokraten weiterhin, dass sie eine klare Erfolgschance haben. Egal, wer Kandidat wird, das wichtigste und naheliegende Ziel der Partei dürfte sein, ihre drei alten Hochburgen im Norden, also Wisconsin, Pennsylvania und Michigan, zurückzugewinnen. Die Demokraten setzen darauf, dass dort am Ende genug Wechselwähler bei ihnen das Kreuz machen.
Weitere Zielgebiete der Demokraten sind North Carolina, Arizona und Florida - und vielleicht sogar die republikanischen Hochburgen Georgia und Texas. Die Demokraten spekulieren darauf, dass in diesen Südstaaten der Zuzug vieler junger Berufstätiger mit guter Bildung und die wachsende Zahl von Einwanderern aus Süd- und Mittelamerika die Wählerschaft zu ihren Gunsten verändert.
Bislang ist diese Rechnung jedoch noch nicht aufgegangen: In Florida gewannen die Republikaner im vergangenen Jahr bei den Midterm-Wahlen sowohl die Senats- als auch die Gouverneurswahl, in Georgia waren sie bei der Gouverneurswahl erfolgreich und der Republikaner Ted Cruz konnte in Texas seinen Senatssitz gegen den Demokraten Beto O'Rourke verteidigen.
Hinzu kommt, dass auch Trump in Sachen Wahlkampfvorbereitung nicht gerade untätig ist. Seine harten Attacken gegen die Demokraten sind offenkundig darauf ausgerichtet, seine Wählerschaft in den umkämpften Staaten zu mobilisieren. Außerdem pumpt sein Wahlkampfteam bereits Millionen von Dollar in Facebook- und TV-Werbung, die gezielt die Wähler in diesen Regionen ansprechen soll.
Außerdem könnte auch Trump versuchen, weitere Staaten von den Demokraten zu erobern. Unter anderem will er New Mexiko gewinnen. Auch Minnesota hat er in den Blick genommen. Bei der Wahl 2016 unterlag er Hillary Clinton hier nur knapp, ihm fehlten lediglich gut 50.000 Stimmen.
spiegel
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