In der umfangreichen Forschungsliteratur über das Leben und die Werke der beiden Märchensammler, suche man bislang vergeblich nach einer Studie über deren Sicht auf die Juden, schreibt er in einem Essay für den "Merkur – Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken„. Dabei gebe es zahlreiche Zeugnisse der Brüder, die deren Antisemitismus bekundeten. Henschel weist darauf hin, dass sie sich in etlichen Briefen an Zeitgenossen oder in Abhandlungen für Periodika wie die „Friedensblätter“ über die Juden als „schacherndes, wucherndes, trödelndes und fleischschächendes Volke“ beklagt hätten. Ein Großteil ihrer Briefe sei zudem noch immer nicht veröffentlicht: „Man darf gespannt sein, welche Wahrheiten noch an den Tag kommen werden.“
Selbst im eigenen Werk findet man Belege für Antisemitismus. Henschel verweist hier auf das von Wilhelm Grimm verfasste und mehrmals veränderte Märchen „Der Jude im Dorn“. Es handelt von einem jüdischen Mann, der zur Unterhaltung der Christen geschunden und gehängt wird. Darüber hinaus sei die Erzählung von einer klischeehaften Darstellung geprägt. Henschel zitiert zum weiteren Beleg Wilhelm Grimms Wiesbadener Kurtagebuch von 1833: „Ich bemerke nur, dass die Juden immer mehr überhand nehmen, ganze Tische und Plätze sind damit angefüllt, da sitzen sie mit der ihnen eigenen Unverschämtheit, fressen Eis und legen es auf ihre dicken und wulstigen Lippen, daß einem alle Lust nach Eis vergeht.“
Irritiert weist der Autor damit die Einordnung von Heinz Rölleke, „den hochverdienten Nestor der Märchenforschung“, zurück. Dieser hatte 2007 in einem Aufsatz geschrieben, man sage den Brüdern Grimm „zuweilen unbesehen, einigermaßen töricht und ganz zu Unrecht“ Antisemitismus nach.
deutschlandfunk
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