Grußwort des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier

  03 Oktober 2015    Gelesen: 668
Grußwort des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier
25 Jahre Deutsche Einheit. Der 3. Oktober 2015 ist für uns Deutsche ein Anlass zu feiern, aber auch mit Dankbarkeit zurückzublicken.

Schon als vor 40 Jahren die Schlussakte von Helsinki unterzeichnet wurde, sahen wir Deut­sche und unsere Nachbarn eine neue Ära in den europäischen Beziehungen anbrechen.
Gemeinsam hofften wir auf Stabilität und Frieden. Der Prozess der Entspannung zwischen Ost und West ebnete den Weg zur Überwindung des Kalten Krieges. Zutiefst dankbar sind wir für das Vertrauen, das unsere Nachbarn und Partner Deutschland damals entgegenbrach­ten. Nur dank dieses Vertrauens und dank ihrer Zustimmung konnte unser Land die Teilung überwinden, konnte Europa zusammenwachsen.

Dankbar sind wir den mutigen Menschen in der DDR und in Osteuropa, die mit Ihrem Frei­heitswillen und Ihrer Zivilcourage die Mauer zu Fall brachten.

Was 1990 die deutsche Einheit beflügelt hat, gilt heute fort – nicht allein für Deutschland, sondern weltweit: Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind Garanten für Frieden und Stabili­tät. Die deutsche Wiedervereinigung hat uns gelehrt, dass Regierungen auf das Vertrauen
ihrer Bürger angewiesen sind. Wer Grundrechte wahrt, gewinnt das Vertrauen der Menschen und kann sich wirtschaftlich und gesellschaftlich voll entwickeln, kann vertrauensvolle
Beziehungen zu Nachbarn und Partnern aufbauen und erhalten.

Die deutsche Wiedervereinigung vor 25 Jahren war verbunden mit der Hoffnung auf eine friedlichere, stabilere Zukunft. Doch was wir heute erleben, ist eine Vielzahl von Krisen und Konflikten, die in ihrer Heftigkeit und Komplexität für jemanden aus meiner Generation prä­zedenzlos erscheinen. Krieg, Terror und Gewalt vom Nahen Osten bis in die Sahelzone zwin­gen Abertausende Menschen in die Flucht. Zugleich schwelt im Osten Europas der schwerste Konflikt seit dem Ende des Kalten Krieges.

Doch die Stürme von heute dürfen nicht all das einreißen, was wir gemeinsam über viele Jahre hinweg aufgebaut haben: Nämlich die Vision einer Friedensordnung in Europa und über den Kontinent hinaus, die auf Dialog, Vertrauen und Sicherheit beruht. Daran wird sich der deutsche Kompass ausrichten, wenn wir 2016 den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa übernehmen.

Deutschland trägt Verantwortung, die künftige internationale Ordnung mitzugestalten. Dabei ist für uns klar, dass es nur einen realistischen und legitimen Rahmen für unsere Politik geben kann: die europäische Einigung. Nach zwei Weltkriegen und der deutschen Teilung ist sie die einzig überzeugende Antwort auf die Organisation von Politik in der‎ Mitte Europas.

Deutsche Verantwortung heute – 25 Jahre nach der deutschen und europäischen Einigung – bedeutet Verantwortung nicht nur für das eigene Land, sondern zugleich für das gemeinsame europäische Projekt, für den Frieden und Zusammenhalt in Europa.

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