Mitten im Herzen Hongkongs, in einem Protestzug auf der Connaught Road Central, wedelt ein junger Mann mit einer US-Flagge. In der Faust hält er gleich ein ganzes Bündel der weiß-rot-blauen Wimpel, um sie an andere Demonstranten zu verteilen. "Wir hoffen, dass die USA sehr bald eine Entscheidung treffen, damit Hongkonger Regierungsbeamte und Polizisten bestraft werden", sagt der 20-Jährige, der nur seinen Vornamen Abbot nennt.
Gut zwei Wochen nachdem sich diese Szene abspielte, ist die Entscheidung nun gefallen: Am Mittwochabend hat Donald Trump zwei Gesetze unterzeichnet, die der US-Kongress kurz zuvor in einem seltenen Beispiel parteiübergreifender Einigkeit verabschiedet hatte:
Der "Hongkong Human Rights and Democracy Act" sieht vor, dass das US-Außenministerium jährlich den Autonomiestatus Hongkongs überprüft. Zudem ermöglicht das Gesetz Sanktionen gegen Offizielle, die Menschenrechtsverletzungen in der Stadt zu verantworten haben.
Das zweite Gesetz blockiert die Vergabe neuer Exportlizenzen für bestimmte Produkte, welche die Hongkonger Polizei gegen die Demonstranten eingesetzt hat, etwa Tränengas, Handschellen und Gummigeschosse
Die Gesetze allerdings haben nicht nur für Hongkonger Regierungsmitglieder und Polizeibeamte Konsequenzen, wie von dem Demonstranten Abbot gewünscht - sondern auch für das amerikanisch-chinesische Verhältnis und möglicherweise für Hongkongs Bevölkerung selbst.
In der Volksrepublik war mit Spannung erwartet worden, ob Trump die beiden Gesetze überhaupt unterzeichnet. Das wäre nicht nötig gewesen, damit sie in Kraft treten: Nach einer zehntägigen Frist wäre dies auch ohne seine Unterschrift automatisch erfolgt.
Sogar ein Veto, das Trump hätte eingelegen können, wäre wahrscheinlich wirkungslos geblieben: Der Kongress hätte es mit einer Zweidrittelmehrheit wieder kassieren können. Öffentlichkeitswirksam für Freiheit und Demokratie eintreten und gleichzeitig China maßregeln, darauf können Republikaner und Demokraten sich sogar im Jahr 2019 noch einigen.
Feindselig, wohlmeinend oder neutral?
Das Ergebnis konnte Trump also nur bedingt beeinflussen - allerdings durchaus, wie China ihn wahrnimmt: als feindselig gegenüber der pekingtreuen Hongkonger Regierung, als wohlmeinend oder neutral.
Bisher hatte er sich widersprüchlich positioniert. Laut der "New York Times" versprach er Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zu Beginn der Demonstrationen, er werde sich dazu nicht äußern, solange es in den Handelsgesprächen vorangehe. Später forderte er Peking über Twitter auf, die Angelegenheit "human" zu regeln. Dann wieder nannte er Xi einen "fantastischen Kerl" und einen "Freund".
Trumps nun erfolgte Unterschrift empfindet Peking daher als Affront. Das chinesische Außenministerium verbat sich in scharfen Worten diese "Einmischung in innere Angelegenheiten" und bestellte zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen den US-Botschafter ein.
Zwar hat Trump die nicht ganz konsistente Beschwichtigung nachgeschoben, seine Unterschrift sei "aus Respekt für Präsident Xi, China, und die Bevölkerung Hongkongs" erfolgt. Doch eine nahe Einigung im Handelskrieg, über die in den vergangenen Tagen gemunkelt worden war, ist dadurch nicht einfacher geworden.
Spezielle Handelsbeziehung zu Hongkong auf dem Prüfstand
Auch die Hongkonger könnten die neuen Gesetze auf ungewollte Weise treffen. Zweifelsohne liegt es im Interesse der Protestbewegung, wenn die USA jetzt Hongkong den Nachschub an Tränengas kappen oder jene Offizielle, die für Polizeigewalt verantwortlich sind, nicht mehr einreisen und investieren lassen. Sollte die US-Regierung jedoch in den nun jährlich anstehenden Überprüfungen befinden, dass es mit der Eigenständigkeit Hongkongs nicht mehr weit her ist, wird nicht zuletzt die Bevölkerung das spüren.
Als Großbritannien seine Kronkolonie 1997 an China zurückgab, sicherte die Volksrepublik Hongkong im Gegenzug für 50 Jahre "einen hohen Grad an Autonomie" zu. Auf diesem Status gründet das Verhältnis der chinesischen Sonderverwaltungszone zu den USA: Sie unterhalten eine spezielle Handelsbeziehung, von den derzeitigen US-Strafzöllen gegen China ist die Stadt ausgenommen.
Hongkonger bekommen leichter US-Visa als Festlandchinesen, zudem wird ihnen meist eine längere Aufenthaltsdauer gewährt. All das stünde zur Disposition, falls die USA Hongkongs Autonomie nicht mehr als gegeben ansehen. Auch zulasten der jungen, kosmopolitischen Hongkonger, die die Protestbewegung tragen.
Für Abbot, den Demonstranten mit der US-Flagge, sind solche Überlegungen nachrangig. Für ihn zählt das Warnsignal an die Mächtigen in Hongkong und Peking. "Ich hoffe", sagt er mit Blick auf die US-Gesetze, "andere Länder können das Gleiche für uns tun."
spiegel
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