Die britische Unterhauswahl hat ein überraschend eindeutiges Ergebnis zutage gefördert, mit deutlichen Gewinnern und ebenso klaren Verlierern. Allen voran hat Regierungschef Boris Johnson Grund zum Jubeln. Nach Auszählung aller Wahlbezirke kommt seine konservative Partei auf die absolute Mehrheit aller Unterhaus-Sitze und kann künftig alleine regieren, nachdem Johnson zuletzt ohne eigene Mehrheit dastand. In einer ersten Reaktion kündigte Johnson an, Großbritannien werde "ohne Wenn und Aber" die EU am 31. Januar verlassen - "fristgerecht".
Nach Auszählung von 648 der 650 Wahlkreise kommen Johnsons Tories auf 363 Sitze im Unterhaus. Die Schwelle zur absoluten Mehrheit liegt bei 326 Sitzen. Die BBC ging in ihrer Prognose von einer Mehrheit von 78 Stimmen für die Konservativen aus. Das ermöglicht Johnson, sein Land bis zur vereinbarten Frist vom 31. Januar auf Grundlage seines Deals mit Brüssel aus der Europäischen Union zu führen. Nach Angaben der BBC fährt Johnson damit den größten Wahlsieg für seine Partei ein seit Margaret Thatcher im Jahr 1987.
Auch die Schottische Nationalpartei SNP darf sich über ein starkes Ergebnis freuen mit fast allen der Schottland zustehenden 56 Parlamentssitze. Parteichefin Nicola Sturgeon kündigte an, ein neues Unabhängigkeitsreferendum abhalten zu wollen, um einen Verbleib Schottlands in der EU zu ermöglichen. Die Konservativen könnten in Schottland komplett leer ausgehen, nachdem sie 2017 noch 13 Mandate geholt hatten.
"Ein machtvolles Mandat"
Labour und Liberaldemokraten hingegen erlitten eine Klatsche und konnten nicht davon profitieren, dass sich der vom konservativen Lager forcierte Brexit seit nunmehr drei Jahren hinzieht. Der Spitzenkandidat Jeremy Corbyn hat bei nur noch eine Handvoll zu vergebenden Parlamentssitzen 203 Mandate für Labour eingefahren - mit rund 60 Sitzverlusten ein historisch schlechtes Wahlergebnis, das schwächste seit 1935. Corbyn kündigte an, auf eine erneute Spitzenkandidatur zu verzichten. Auch ein längerer Verbleib Corbyns an der Parteispitze schien am Morgen unwahrscheinlich. Die explizit pro-europäischen Liberaldemokraten konnten mit voraussichtlich elf Mandaten keine nennenswerten Stimmgewinne verbuchen. Die Chefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson, verlor ihr Mandat und ihr erklärte ihren Rücktritt.
Seine Regierung habe "ein machtvolles Mandat erhalten, den Brexit durchzuziehen", verkündete Johnson in seinem Wahlkreis nahe London. Als Termin für den Brexit ist der 31. Januar vorgesehen. Johnson versprach, er werde "das Land einen und voranbringen und sich auf die Prioritäten des britischen Volks fokussieren".
Johnson gelang es, seinen Londoner Wahlkreis Uxbridge mit klarer Mehrheit zu halten. Der Tory-Chef versammelte rund 7000 Stimmen mehr auf sich als sein nächster Mitbewerber, wie die örtliche Wahlleitung bekannt gab. Im Vorfeld waren Spekulationen laut geworden, Johnson könnte seinen Parlamentssitz verlieren, seine Partei die Wahl aber insgesamt gewinnen. Dies hätte die Position des Premierministers schwächen können.
Trump gratuliert
US-Präsident Donald Trump äußerte sich positiv zum voraussichtlichen Ausgang der Parlamentswahl: "Sieht nach einem großen Sieg für Boris aus!", schrieb Trump. Beide Politiker stehen sich nahe. Großbritannien und die USA wollen ein gemeinsames Handelsabkommen abschließen, sobald Großbritannien aus der EU ausgetreten und nicht mehr an EU-Regelungen gebunden ist. Kritiker befürchten, dass ein solches Abkommen stark liberalisiert sein könnte und auch als sinnvoll erachtete Regulierungen der EU - etwa bei Finanzdienstleistungen oder in der Landwirtschaft - zurückfahren wird.
Österreichs designierter Kanzler Sebastian Kurz gratulierte Johnson zu einem "beeindruckenden Wahlsieg". Er hoffe, dass das Abkommen zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union nun rasch ratifiziert werden könne, schrieb Kurz auf Twitter. Dann könnten sich Großbritannien und die EU auf ihre künftige Beziehung konzentrieren, die so eng wie möglich sein solle.
Die Briten hatten 2016 in einem Referendum mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt. Nach zähen Verhandlungen konnte Johnsons Vorgängerin Theresa May im November 2018 ein Austrittsabkommen vorlegen. Doch die anschließende Ratifizierung im britischen Parlament scheiterte. Nicht zuletzt, weil ihre Regierung seit der vergangenen Wahl 2017 keine eigene Mehrheit mehr hatte. Der Brexit wurde mehrmals verschoben, May musste schließlich zurücktreten.
Quelle: n-tv.de
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