Historischer Wahlsieg für Boris Johnson - Weg für Brexit geebnet

  13 Dezember 2019    Gelesen: 460
Historischer Wahlsieg für Boris Johnson - Weg für Brexit geebnet

London (Reuters) - Mit dem deutlichen Wahlsieg von Boris Johnson in Großbritannien ist der Weg für einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union Ende Januar geebnet.

Die konservative Partei des Premierministers kommt nach jüngsten Ergebnissen vom Freitag auf 364 Mandate im 650 Sitze umfassenden Londoner Unterhaus - der höchste Sieg der Tories seit der triumphalen Wiederwahl von Margaret Thatcher 1987. Johnson sprach von einer “historischen Wahl” und betonte: “Wir werden den Brexit pünktlich am 31. Januar vollenden - keine Wenns, kein Abers und keine Vielleichts!” Die oppositionelle Labour-Partei musste indes eine historische Niederlage hinnehmen. Die EU-Spitzen forderten Johnson auf, beim Brexit nun schnell für Klarheit zu sorgen. Die deutsche Wirtschaft mahnte, die EU und Großbritannien müssten dann umgehend an einem Freihandelsabkommen arbeiten.

Labour und Spitzenkandidat Jeremy Corbyn kommen wohl nur auf 203 Sitze und fuhren damit ihr schlechtestes Ergebnis seit 1935 ein. Labour-Chef Corbyn kündigte seinen Rückzug an. Er werde seine Partei nicht mehr in eine Wahl führen. Einen Erfolg verbuchen konnten dagegen die schottischen Nationalisten, die für einen Verbleib in der EU eintreten. Ihre Partei SNP errang 48 der insgesamt 59 verfügbaren Sitze. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte umgehend ein neues Unabhängigkeits-Referendum. “Boris Johnson mag ein Mandat haben, England aus der EU zu führen”, sagte sie Sky News. “Er hat aber ausdrücklich kein Mandat, Schottland aus der EU zu führen. Schottland muss über sein Schicksal selbst bestimmen.”

“DIE LEUTE SIND ES LEID”

Die EU will sich am Freitag auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs mit dem Ausgang der Wahl und dem Brexit befassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte Johnson und erklärte: “Ich freue mich auf unsere weitere Zusammenarbeit für die Freundschaft und enge Partnerschaft unserer Länder.” Der neue EU-Ratspräsident Charles Michel sagte, er erwarte nun eine rasche Abstimmung über das Brexit-Abkommen im britischen Parlament. Die EU sei bereit, mit Großbritannien ein Handelsabkommen zu vereinbaren. Dabei sei es sehr wichtig, faire Bedingungen zu wahren. “Wir werden darüber mit Großbritannien sprechen müssen.” Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel äußerte sich erleichtert über das klare Ergebnis. “Die Leute sind es leid”, sagte der Liberale. Johnson müsse jetzt liefern, was er versprochen habe - den Brexit. Das wäre gut für alle.

Nachdem der Brexit am 31. Januar vollzogen ist - dann zehn Monate später als ursprünglich geplant - will Johnson gemäß seines Wahlversprechens bis Ende 2020 ein Handelsabkommen mit der EU ausarbeiten. Allerdings ist er möglicherweise mit der klaren Mehrheit nicht mehr so stark auf die Brexit-Hardliner im Parlament angewiesen und könnte sich länger Zeit lassen: Nach den Regularien läuft die Frist für ein Abkommen erst im Dezember 2022 aus. Der Chef der Brexit-Partei, Nigel Farage, zeigte sich enttäuscht. Der Einfluss der Brexit-Hardliner gehe zurück. “Es wird Brexit heißen, aber eigentlich keiner sein”, sagte er.

Farrages Partei ging bei der Wahl offenbar leer aus und dürfte kein Mandat erhalten. Die Liberaldemokraten, die sich deutlich gegen den Brexit aussprachen, kamen auf 11 Mandate. Parteichefin Jo Swinson verlor ihr Mandat in Schottland und trat umgehend zurück. In Nordirland haben die Nationalisten erstmals seit der Abspaltung von Irland 1921 mehr Stimmen erhalten als die pro-britischen Unionisten. Die führende Nationalistenpartei Sinn Fein verteidigte ihre sieben Sitze, die pro-irische SDLP gewann zwei Mandate. Zusammen liegen sie damit vor der DUP, die zwei Sitze verlor und nun auf acht Mandate kommt.

“DER POLITISCHE NEBEL LICHTET SICH”

US-Präsident Donald Trump gratulierte Johnson per Twitter und erklärte, beide Länder seien nun frei, um ein “massives neues Handelsabkommen” nach dem Brexit abzuschließen. Dieses könne deutlich umfassender ausfallen als ein Deal mit der EU, schrieb Trump.

Die deutsche Wirtschaft mahnte nun eine rasche Regelung der künftigen Handelsbeziehungen an: “Jetzt müssen die EU und Großbritannien mit Hochdruck an einem Freihandelsabkommen arbeiten und bis zum Ende des Jahres zum Abschluss zu bringen”, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Thilo Brodtmann. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erklärte: “Der politische Nebel in London lichtet sich.” Hauptgeschäftsführer Joachim Lang betonte: “Mit dem Wahlausgang ist der Auftrag verbunden, das Austrittsabkommen jetzt rasch anzunehmen.” Bis spätestens 2022 müssten die Verhandlungen zum zukünftigen Verhältnis abgeschlossen sein. Das britische Pfund stieg zeitweise auf ein Eineinhalb-Jahres-Hoch von 1,3514 Dollar. Zur Gemeinschaftswährung markierte sie mit 1,2079 sogar den höchsten Stand seit dreieinhalb Jahren. Mit einem Plus von 2,1 Prozent steuerte das Pfund zudem auf den größten Tagesgewinn seit elf Jahren zu. “Dieses Ergebnis gibt den Märkten, was sie sich wünschen: Klarheit”, sagte Volkswirt Dean Turner von dem Vermögensverwalter UBS Wealth Management. Er geht aber nur von einer kurzfristigen Beruhigung aus, da die Verhandlungen über die künftigen Handelsbeziehungen ebenfalls schwierig werden dürften.


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