"Erhebliches Führungsproblem"

  21 Dezember 2019    Gelesen: 855
"Erhebliches Führungsproblem"

Nach einer rechtswidrigen Hausdurchsuchung in Weimar ist eine junge Frau traumatisiert. SPIEGEL-Informationen zufolge bringen die internen Ermittlungen erhebliche Missstände in der Polizeiinspektion ans Licht.

Nach einer offenbar rechtswidrigen Hausdurchsuchung prangern interne Ermittler Missstände in der Polizeiinspektion Weimar an. Es gebe in der Inspektion eine sichtbare Führungsschwäche und Anzeichen für "ein erhebliches Führungsproblem", heißt es in einem internen Bericht. Im Jahr 2017 hatten Polizisten die falsche Wohnung durchsucht und dort eine junge Frau aufgefordert, sich auszuziehen. Die Betroffene, die zuvor Opfer einer Vergewaltigung geworden war, ist traumatisiert und bis heute in ärztlicher Behandlung.

Bei der Aufarbeitung stießen interne Ermittler auf weitere Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit dem Fall. So soll ein Beamter einer jungen Frau interne Informationen sowie Bilder seines entblößten Geschlechtsteils geschickt haben. Auch seien interne Daten per Mobiltelefon aus der Dienststelle weitergeleitet worden.

Schadensersatzforderung über 100.000 Euro

Die Staatsanwaltschaft Erfurt führt vier Verfahren gegen sechs Polizeibeamte wegen des Verdachts der Nötigung, der Sachbeschädigung und des Diebstahls sowie der versuchten Strafvereitelung im Amt und wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses. Die traumatisierte Frau fordert Schadensersatz von rund 100.000 Euro. Die Verfahren stünden kurz vor dem Abschluss, teilte die Staatsanwalt auf Anfrage des SPIEGEL mit. Wenn es eine rechtskräftige Entscheidung eines Gerichts gibt, will die Polizei über Schadensersatz entscheiden.

Zu dem Vorfall war es gekommen, als die Polizei nach einem gestohlenen Wakeboard fahndete. Die Spur führte zu einer Cousine des späteren Opfers, die jedoch keinen festen Wohnsitz hatte. Fahnder vermuteten die Frau in der Wohnung der Verwandten. Obwohl Polizisten die Anschrift zuvor überprüften und selbst im Informationssystem der Polizei vermerkt war, dass die Verdächtige dort nicht wohnt, kam es zur Durchsuchung mit neun Beamten.

Weil sich die 18-jährige Mieterin lautstark gegen die offensichtlich fehlerhafte Aktion wehrte und nach Aussagen der Beamten aggressiv wurde, tasteten Polizistinnen die Frau zunächst nach gefährlichen Gegenständen ab. Später, so beschreibt sie es, sei sie im Badezimmer aufgefordert worden, Schuhe, Socken, Jeans, T-Shirt und BH abzulegen. Danach sei sie, geplagt von Erinnerungen an die vorangegangene Vergewaltigung, zusammengebrochen. Die junge Frau kam in die Notaufnahme, später in die Psychiatrie.

spiegel


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