Polens Oberrabiner verteidigt Botschafter Lipski gegen Putins „antisemitisches-Schwein“-Vorwurf

  02 Januar 2020    Gelesen: 855
  Polens Oberrabiner verteidigt Botschafter Lipski gegen Putins „antisemitisches-Schwein“-Vorwurf

Mehrere polnische Politiker haben sich bereits zu den scharfen Worten von Russlands Präsident Wladimir Putin in Bezug auf Josef Lipski, den polnischen Botschafter in Deutschland in den 30er Jahren, geäußert. Nun hat sich auch der polnische Verband der Jüdischen Glaubensgemeinden in die Debatte eingeschaltet und Lipski in Schutz genommen.

Die Vorsitzende  des Verbandes der Jüdischen Glaubensgemeinden in der Republik Polen, Klara Kolodzeyska-Poltyn, und der Oberrabiner von Polen, Michael Schudrich, haben in einer schriftlichen Mitteilung die umstrittene Äußerung von Präsident Wladimir Putin kommentiert. Zuvor hatte Russlands Staatschef den Botschafter Lipski, der sich in den 30er Jahren mit Adolf Hitlers Antisemitismus solidarisiert haben soll, als einen „Lumpen und ein antisemitisches Schwein“ bezeichnet. 

Der Verband verwies darauf, dass Polen zur Emigration von zehn Prozent der jüdischen Bevölkerung mit beigetragen habe. Das sei teilweise in Zusammenarbeit mit der zionistischen Bewegung erfolgt, die Polen damals im Geheimen  militärisch unterstützt habe.

„Zu der Zeit (1938), als das Dritte Reich Tausende polnische Juden vertrieben hatte, leistete die diplomatische Vertretung Hilfe, darunter Botschafter Lipski. Lipski Antisemitismus vorzuwerfen, der in einem Satz von ihm begründet sein soll, welcher auch noch aus dem Kontext gerissen wurde, ist äußerst verantwortungslos“, hieß es in der Mitteilung des Verbandes der Jüdischen Gemeinde.

„Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg bildet die Grundlage für Europas heutige Identität“, so die Gemeinde. Eine „Verfälschung dieser Erinnerung“ stelle für diese Identität eine direkte Gefahr dar.

Unter anderem bezog sich der Verband auf Deutschland. Demnach verschleiere die Bundesregierung die Wahrheit über den Zweiten Weltkrieg nicht und übernehme die Verantwortung für Deutschlands damalige Verbrechen.

„Wir würden uns auch eine derartige Aufrichtigkeit von der russischen Regierung wünschen, die zu Beginn des Krieges Verbündete von Deutschland war, um daraufhin zu ihrem größten Opfer zu werden – und wiederum dann als Sieger hervorzugehen.“

Ende letzten Jahres hatte sich der russische Präsident, Wladimir Putin, in einer Sitzung des russischen Verteidigungsministeriums ungewöhnlich scharf zu Josef Lipski geäußert – dem polnischen Botschafter in Berlin in den Jahren 1933 bis 1939. Er bezeichnete ihn als einen „Lumpen und ein antisemitisches Schwein“, da sich der damalige polnische Botschafter „mit Hitler in seinen  antisemitischen Gesinnungen solidarisiert“  und versprochen habe, Hitler zu Ehren ein Denkmal in Warschau zu errichten.

Putins Äußerung blieb nicht unbemerkt und hat inzwischen eine Reihe polnischer Politiker zu einer Stellungnahme bewogen.

Polens Rolle beim Völkermord

Auch in Polens Geschichte findet sich hinsichtlich des Holocausts ein dunkles Kapitel. In Polen sollen an dem Völkermord an den Juden hauptsächlich Kollaborateure und polnische Nationalisten beteiligt gewesen sein. Am 10. Juni 1941 soll es in dem Dorf Jedwabne Pogrome gegen Juden gegeben haben. Laut Historikern wurden Hunderte Menschen ermordet, darunter sollen einige lebendig verbrannt worden sein. Nach Schätzungen sollen damals mehr als 1500 Juden den Pogromen zum Opfer gefallen sein.

Neben dem Verbrechen in Jedwabne soll es auch weitere gegeben haben. Fakten diesbezüglich sollen jedoch totgeschwiegen worden sein. Historiker gehen von einer massenhaften Beteiligung von Polen am Genozid aus. Insgesamt sollen Bürger Polens für Massenrepressalien und nicht weniger als 30 Pogrome in 24 Siedlungen verantwortlich sein. Schätzungen nach sollen dabei mindestens einige Zehntausend Juden ermordet worden sein.  

Streit zwischen Warschau und Tel Aviv

Im Februar 2019 leistete sich Israels Außenminister, Israel Katz, eine provokante Aussage, die Polens Premierminister, Mateusz Morawiecki, so nicht hinnehmen wollte und  als „rassistisch und vollkommen unannehmbar“ bezeichnete. 

Katz soll sich auf eine Aussage des Ex-Ministerpräsidenten Izchak Schamir berufen haben, der einst erklärt habe: „Die Polen haben Antisemitismus mit der Muttermilch aufgesogen.“ Angesprochen auf den Vorwurf des polnischen Premiers, sagte Katz, „ich bedauere nichts von meiner Aussage“.  

„Meine Eltern erlebten den Holocaust, als Sohn von Holocaust-Überlebenden muss ich die Wahrheit sagen“, erklärte damals der israelische Außenminister gegenüber dem Fensehsender „Reshet 13“. Außerdem wies er darauf hin, dass viele Polen im Holocaust mit den Nazis kollaboriert hätten und dass es währende des Zweiten Weltkriegs in Polen Antisemitismus gegeben habe.

mka/gs


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