Die Welt atmet auf, ein Krieg im Nahen Osten ist erstmal vom Tisch. Fast könnte man US-Präsident Donald Trump nun sogar als Gewinner sehen: Er hat viel riskiert und gewonnen. Der gefürchtete iranische General Ghassem Soleimani ist tot und ein Krieg mit dem Iran blieb aus. Doch das wäre dann doch recht einfach gedacht. Die diplomatischen Kollateralschäden sind groß: Dass Trump überhaupt dieses Risiko einging, sorgt nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, bis hinein in die republikanische Partei, für Kopfschütteln.
Schlimmer, es ist wieder einmal die in der Ära Trump nicht mehr ungewohnte Situation eingetreten, dass die Stimmen aus Moskau besonnener wirken als vieles, was aus dem Weißen Haus kommt. Zuletzt etwa ließ Russlands Präsident Wladimir Putin verlautbaren, er sei "tief besorgt" über die drohende Eskalation im Nahen Osten und rief zur Suche nach diplomatischen Lösungen auf. Trump drohte währenddessen damit, notfalls Kulturstätten im Iran anzugreifen.
Putin könnte nun der Nutznießer von der neuesten Volte Trumps erratischer Nahostpolitik werden. Die Tötung Soleimanis und die anschließende Kriegsgefahr gäben ihm neue Chancen zwei seiner Langzeit-Ziele zu erreichen: Die Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten zu unterminieren und den "Fußabdruck Russlands" in der Region zu vergrößern, heißt es in einer Analyse der Fachzeitschrift "Foreign Policy".
"Trump hat das für ihn erledigt"
Was die Glaubwürdigkeit angeht, hat er in Trump einen Verbündeten. Fast wirkt es so, als ob Putin sich nur zurückzulehnen braucht und Trump einfach nur machen lassen muss. "So sehr Putin ein Aufflammen des anti-amerikanischen Gefühls auch wollte, Russland hätte dies nicht selbst herbeiführen können", zitiert "Foreign Policy" den Politik-Professor Mark Katz von der renommierten George-Mason-Universität bei Washington. "Aber Trump hat das für ihn erledigt."
Der US-Präsident agiert im Nahen Osten unberechenbar. Mal will er Soldaten aus dem Nordirak abziehen, mal erklärt er den IS für besiegt, mal droht er mit neuen Kriegen. So verlieren die USA überall in der Region an Einfluss, verprellen Verbündete wie die Kurden, sind nun laut einer Parlamentsresolution im Irak unerwünscht und schmissen sich in Person ihres Präsidenten geradezu an Saudi-Arabien heran, was spätestens nach dem Mord am Journalisten Jamal Khashoggi zumindest fragwürdig wirkte.
Als die ganze Welt in den vergangenen Tagen wieder einmal auf Trump starrte und einen neuen Krieg befürchten musste, weilte Putin in Damaskus. Der russische Präsident war erstmals zu Besuch in der syrischen Hauptstadt seit Russland dem Assad-Regime im Jahr 2015 zu Hilfe geeilt war und lobte "die gewaltigen Fortschritte im Kampf gegen den Terrorismus". Die Visite zeigte, wie eng die Beziehungen mit dem Regime mittlerweile sind. Die USA haben schon lange keinen Draht mehr nach Damaskus.
Putin, der Vermittler
Als Putin seine "tiefe Sorge" über die neuen Spannungen zwischen den USA und dem Iran Ausdruck verlieh, tat er das gemeinsam mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. In Istanbul feierten beide am Mittwoch die Eröffnung der neuen Gas-Pipeline Turkstream und erörterten für rund anderthalb Stunden die Lage in Libyen und Syrien. Putin hält engen Kontakt zu Erdogan, obwohl beide in diesen Ländern gegensätzliche Interessen verfolgen. Denn die Türkei ist für Russland nicht nur Kunde beim Gas, sondern kauft auch Waffen - gerade erst gab es Streit in der Nato, insbesondere mit den USA, um den Kauf eines russischen Raketensystems.
Trump hat nun auch jegliche Reste einer womöglich noch vorhandenen Basis mit dem Iran zertrümmert. Beide Länder befinden sich nun endgültig im Kalten Krieg. Teheran wird nun mit aller Macht versuchen, die Atombombe zu bauen, die USA wollen dies mit maximalem Druck verhindern. Der Frieden steht also auf wackeligen Füßen. Die US-Verbündeten in der Region "seufzten nun vielleicht vor Erleichterung auf", heißt es bei "Foreign Policy", aber wenn sie sich darüber klar würden, dass Trump sie einer möglichen iranischen Vergeltung ausgeliefert hat, könnten sie sich künftig nach Moskau mit der Bitte um Vermittlung wenden. Denn auch mit dem Iran unterhält Putin gute Beziehungen - die vertieften sich etwa, weil beide Länder sich für das Assad-Regime in Syrien einsetzten.
n-tv
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