Schade um die Flügeltüren

  10 Januar 2020    Gelesen: 1032
Schade um die Flügeltüren

Die Automobilgeschichte ist voll von irren Studien, die erst begeisterten und dann verschwanden. Wie der VW Futura, der Urahn des Sharan.

"Wetten, dass unser Auto automatisch einparken kann?" So bewarb sich vor gut 30 Jahren der Autohersteller Volkswagen bei der ZDF-Samstagabendshow "Wetten, dass..?" Bei der Sendung, die am 30. September 1989 ausgestrahlt wurde, trat dann – zwischen Promi-Gästen wie Jane Fonda, Udo Jürgens und Ion Tiriac – das Konzeptauto Futura an, und zuckelte fahrerlos in eine Parklücke. Ein Image-Volltreffer für Volkswagen, damals Hersteller von Allerweltsautos wie Polo, Golf, Passat oder Jetta, der sich mit dem Konzeptfahrzeug einem Millionenpublikum zur besten Sendezeit als modern und fortschrittlich präsentieren durfte.

Die Weltpremiere hatte der VW Futura bereits zwei Wochen vor dem Sendetermin erlebt: Bei der Internationalen Automobilausstellung IAA in Frankfurt. Dort pries VW den Viersitzer mit Flügeltüren unter dem Motto an: "Das Auto von morgen – heute schon Wirklichkeit." Weniger laut hinausposaunt wurde, dass es sich nur um ein Einzelstück handelte, dessen Hightech-Innereien noch längst nicht serienreif waren. Die Einparkautomatik ("Parkassistent") zum Beispiel bot VW erst 18 Jahre später im Modell Touran an.

Ein rundlicher Kokon für die ganze Familie
Dennoch war der VW Futura ein starkes Signal. Allein schon die Form: Während die VW-Serienmodelle dieser Zeit optisch noch die kantige Geradlinigkeit der Siebzigerjahre ausstrahlten, war die Studie als sogenanntes Monospace-Konzept gestaltet, also als ein rundlich-voluminöser Gesamtkörper für Antrieb, Passagiere und Gepäckraum. Dazu kamen zwei große Flügeltüren, enorme Glasflächen und eine ungewöhnliche Umbaumöglichkeit. Sowohl die Flügeltüren als auch die gläserne Heckklappe ließen sich komplett abnehmen, so dass ein viersitziges Cabriolet mit T-förmigem Überrollbügel entstand.

Zur Hightech-Ausstattung gehörten elektrische Servolenkung, elektrische Handbremse und eine Allradlenkung, wobei die VW-Entwickler die drei Systeme dann noch zur Ein- und Ausparkautomatik kombinierten, die sich sogar per Knopfdruck von außerhalb des Autos aktivieren ließ. Die Daten für die präzise Steuerung beim Parkvorgang lieferten Radar- und Ultraschallsensoren. Zusätzlich waren ein Autotelefon, Digitalanzeigen mit LCD-Bildschirmen, ein Navigationssystem, Panoramascheiben aus Wärmedämmglas sowie Rücksitze, die mittels eines Klappmechanismus im Handumdrehen in Kindersitze verwandelt werden konnten, an Bord.

Für Vortrieb sorgte ein Benzinmotor mit G-Lader
Beim Antrieb setzte VW auf grundsätzlich bewährte Technik, die allerdings verfeinert worden war. So steckte im Vorderwagen ein Vierzylinder-Benzinmotor mit 1,7 Liter Hubraum, der 82 PS Leistung und 155 Nm Drehmoment entwickelte und das Konzeptauto bis zu 183 km/h schnell machte. Das Aggregat verfügte über eine Benzindirekteinspritzung und einen G-Lader – damals war diese Technik der Verdichtung der Ansaugluft noch nicht in Großserie verfügbar (VW hatte den Polo G40 im Jahr 1987 lediglich in einer Auflage von 500 Exemplaren auf den Markt gebracht).

Was das offiziell als "IRVW Futura", das Kürzel steht für "Integrated Research Volkswagen", bezeichnete Forschungsfahrzeug für VW gebracht hat? Vor allem Aufmerksamkeit. Viele der technischen Neuerungen, die in dem Konzeptauto steckten, gehören heute zwar zur Standardausstattung, wurden als Serientechnologien aber meist von anderen Herstellern auf den Markt gebracht. Bei der Einparkautomatik etwa hatte Toyota die Nase vorn, der japanische Hersteller bot sie ab 2005 im Hybridauto Prius an. Formal erinnert von den späteren VW-Modellen vor allem die Großraumlimousine Sharan (ab 1995) an den Futura. Die Flügeltüren allerdings schafften es nicht in die Serie - leider.

Der Futura gehört heute zum Bestand der Stiftung Automuseum Volkswagen in Wolfsburg und ist dort in der Dauerausstellung zu sehen.

spiegel


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