„Ungeachtet politischer Spannungen und Sorgen um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit haben die Türkei, Russland und China ihre Standortattraktivität in den vergangenen Jahren ausgebaut“, heißt es in der neuen Studie „Länderindex Familienunternehmen – Emerging Markets“, die das „ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung“ im Auftrag der „Stiftung Familienunternehmen“ mit Sitz in München erstellt hat. Die Studie ist am siebenten Januar erschienen und untersuchte dabei vor allem Familienunternehmen.
In der Untersuchung stehe Russland auf dem ersten Platz, gefolgt von der Türkei und China.
„Russland ist für deutsche Familienunternehmer attraktiv“, titelte am vergangenen Dienstag das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ und schrieb weiter: „Für deutsche Familienunternehmen bietet Russland unter sieben großen Schwellenländern laut der Studie im Auftrag der in München ansässigen Stiftung Familienunternehmen die besten Investitionsbedingungen.“
Russland: „Attraktivster Standort für Familienunternehmen“
Es liegt laut der neuen Studie in Moskaus Interesse, Fortschritte bei den Wirtschaftsbedingungen auch „in Einklang mit Demokratie, Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit zu bringen“. Russland konnte der Untersuchung zufolge seine „Stellung als attraktivster Standort im Kreis der wichtigsten Emerging Markets“ ausbauen. Familienunternehmen können in Russland auf gut ausgebildete Arbeitskräfte zugreifen. Die Regelungen in den Bereichen Besteuerung, Regulierung sowie Energiekosten seien ebenso günstig. Die größte Schwäche des russischen Standorts bleibe allerdings die institutionelle Staatsebene. In der Kategorie erziele das Land wegen „autokratischer“ Tendenzen das zweitschlechteste Ergebnis.
Sputnik hat die Studie genauer angeschaut und bei der Münchner „Stiftung Familienunternehmen“ nachgefragt, wie gut Russlands Unternehmens- und Wirtschaftspolitik aktuell dasteht. Ein Sprecher der Stiftung hat Fragen der Redaktion beantwortet.
Russische Spitzenposition: „Gut ausgebildete Arbeitskräfte“
Der „Länderindex Familienunternehmen – Emerging Markets“ bewerte demnach nach „objektiven Kriterien“ die Standortfaktoren wichtiger Emerging Markets. Darunter Länder wie Russland, die der Westen gemeinhin als „Schwellenländer“ bezeichnet. Russland konnte der Studie zufolge seine Standortattraktivität in fünf der sieben untersuchten Bereiche steigern. Verbessert habe sich das Land insbesondere im Bereich Arbeitskosten/Produktivität, Infrastruktur, in der Energiepolitik sowie bei den Finanzierungsbedingungen.
Russland sticht der Studie zufolge speziell „mit gut ausgebildeten Arbeitskräften“ heraus. Die Russische Föderation erziele außerdem in den Bereichen „Energie“ und „Infrastruktur“ herausragende Resultate. „Ursächlich hierfür ist vor allem eine nochmals verbesserte Position bei den Energiepreisen“, so die Untersuchung. Überdurchschnittliche Leistungen erbringe die russische Wirtschaft auch in den Bereichen Arbeitskosten/Produktivität.
Der russische Staat erzielt demnach auch gute Ergebnisse bei seiner Steuerpolitik, was vor allem Geschäfte mit dem Ausland angeht. Das Land zeige, dass es Geschäftsgründungen fördere. In diesem Bereich nimmt Russland eine Spitzenposition unter den untersuchten Ländern ein.
Studie: „EU und Russland würden vom Ende der Sanktionen profitieren“
„Die zweite Einsicht ist“, so die Studie weiter, „dass Länder wie Russland mit ihren auf etlichen Feldern sich weiter verbessernden Standortfaktoren prinzipiell ein beträchtliches Potenzial für eine Intensivierung der Geschäftsbeziehungen mit der Europäischen Union bieten.“
Staaten wie Russland und die Türkei hätten ein hohes Potenzial für eine „Intensivierung der Geschäftsbeziehungen“ mit der Europäischen Union (EU) zu bieten. Ein Ende der politischen Spannungen – darunter die Anti-Russland-Sanktionen der EU – hätte positive wirtschaftliche und politische Folgen. Beide Seiten würden von intensiveren Wirtschaftsbeziehungen profitieren. Eine politische Entspannung könnte der Studie zufolge dazu beitragen, dass die EU und Russland ihr ökonomisches Potential besser nutzen.
Die größte Schwachstelle für den Standort Russland bleibe weiterhin die Dimension „Institutionen“, in der das Land das zweitschlechteste Ergebnis aller sieben untersuchten Staaten erzielt habe. Dies wirke weit in die Bereiche Rechtssicherheit und Eigentumsrechte hinein, wo Russland laut der Studie schlechte Bewertungen erhält.
„Weckruf“: Konsequenzen für Deutschland
„Der Standort Deutschland befindet sich schon längst nicht mehr nur im Wettbewerb mit anderen etablierten Industrieländern, sondern auch mit etlichen Schwellenländern, die kontinuierlich an ihren Standortfaktoren arbeiten“, heißt es in der Studie, die einen „Weckruf“ für die deutsche Bundesregierung in der Wirtschaftspolitik fordert.
Für Deutschlands Politik ergebe sich aus der Studie ein klarer Handlungsauftrag:
„Dass die Schwellenländer schon seit Jahren entschieden daran arbeiten, ihre Standortbedingungen zu verbessern, muss für Deutschland ein Weckruf sein“, kommentierte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der „Stiftung Familienunternehmen“, die neue Studie. „Wir brauchen eine neue Reformdynamik. Sonst droht Deutschland im internationalen Standortwettbewerb abgehängt zu werden.“
Im „Länderindex Familienunternehmen“, einem Vergleich von 21 Industrienationen, war Deutschland zuletzt um vier Plätze auf Rang 16 zurückgefallen.
Die neue Untersuchung stützt sich laut Aussagen der Studienersteller „auf objektiv messbare Daten zu Wettbewerbsfaktoren, die von international anerkannten Institutionen stammen.“
sputniknews
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