Energiepartnerschaft Moskau-Ankara: Weiterer Dorn im Auge des Westens?

  11 Januar 2020    Gelesen: 907
    Energiepartnerschaft Moskau-Ankara:       Weiterer Dorn im Auge des Westens?

Die Präsidenten Erdogan und Putin haben bei der Eröffnung der Gaspipeline Turkish Stream Einigkeit demonstriert. In der EU werden Stimmen lauter, die nicht nur eine wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland und der Türkei befürchten. Ein deutsch-türkischer Interessensverband zeigt sich darüber erstaunt.

Trotz Meinungsverschiedenheit in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, demonstrieren die Türkei und Russland immer wieder Einigkeit. Zuletzt bei der Eröffnung der Gaspipeline Turkish Stream. Russlands Präsident Wladimir Putin merkte an, die Eröffnung der Gaspipeline sei nicht nur für Russland und die Türkei, sondern auch für den gesamten europäischen Kontinent von Bedeutung.

Die Türkei ist einer der größten Abnehmer für russisches Erdgas. Sie ist angesichts des Mangels an eigenen Energiereserven chronisch energiehungrig und muss einen Großteil des Bedarfs importieren. Von Vorteil ist auch die Abzweigung Richtung Europa: Diese soll der Türkei als Transitland mehr Einfluss auf dem Energiemarkt verschaffen. Energieminister Fatih Dönmez hat es im Dezember 2019 so ausgedrückt: „Mit den Erdgasleitungen, die sowohl vom Osten als auch vom Norden kommen, werden wir auf den internationalen Märkten unverzichtbar sein.“

Turkstream – „Ein Risiko für Europa“?
Die russisch-türkische Pipeline ist ebenso, wie das Energieprojekt Nord Stream 2, von US-Sanktionen betroffen. US-Präsident Donald Trump hatte erst Ende Dezember den neuen Verteidigungshaushalt unterzeichnet und damit die darin enthaltenen Sanktionen gegen Nord Stream 2 und Turkish Stream in Kraft gesetzt. Sie richten sich gegen Firmen, die am Verlegen der Pipelines beteiligt sind, sowie deren Eigner. Als Strafmaßnahmen sind Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögen in den USA vorgesehen.

Anfang 2019 sorgte ein Drohbrief des US-Botschafter in Berlin Richard Grenell an Unternehmen, die sich an den russischen Pipelineprojekten beteiligten, für heftigen Unmut. Nord Stream 2 und die Pipeline Turkstream würden den bisherigen europäischen Gasimport über die Ukraine überflüssig machen. Damit verliere diese an sicherheitspolitischer Bedeutung, warnte Grenell gegenüber der „Bild am Sonntag“. Das erhöhe das Risiko für eine russische Intervention. Zudem mache sich die EU in der Energiesicherheit von Russland abhängig, so Grenell.

Mit der Eröffnung der Turkish Stream werden nun auch Stimmen in einigen deutschen Medienhäusern laut, die das deutsch-türkische Energieprojekt in die Mangel nehmen: „Energieversorgung von Putins und Erdogans Gnaden“, schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ). „Die ‚Energieachse Moskau–Ankara‘ – ein Risiko für Europa“ oder „Gemeinsam gegen Europa“, titelt die „Welt“. Im letzteren Kommentar heißt es: „Die Türkei sollte im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen eigentlich verlässlicher Partner Europas in der Energiesicherheit werden. Doch die Allianz Ankara-Moskau hat nun vielmehr das Potenzial, die EU unter Druck zu setzen.“

„Russland nicht als Alternative zur EU“
Über die Aussage schmunzelt Bülent Bilgi, Vorstandsvorsitzender der „Union Internationaler Demokraten“ (UID) im Sputnik-Interview.

„Ich weiß nicht auf welchem Planeten die Welt-Journalisten leben, die diesen Artikel verfasst haben. Denn es gibt schon lange keine EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Im Grunde hat die EU die Türkei ausgestoßen. Jetzt wundert sich die EU, dass die Türkei sich weitere Partner wie Russland aussucht, davon profitiert und die EU aufgrund ihrer Abstoßungspolitik davon negativ beeinflusst wird“, so der UID-Vorstandsvorsitzende.
Die UID ist einer der größten türkischen Interessenverbände in Deutschland. Vom Bundesverfassungsschutz (BfV) wird der Verein als „Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei AKP“ bezeichnet.

Die Türkei sehe Russland nicht als Alternative zur EU, vermutet Bilgi.

„Man muss Freunde und Partner, die man hat, erweitern. Und wir sehen in vielen Bereichen, dass die Türkei mit Russland gemeinsame Strategien verfolgt. Wir sehen aber auch wie in Libyen, dass Russland eine andere Strategie verfolgt, als die Türkei. Deswegen muss man sich nicht konsequent abstoßen, sondern versuchen, gemeinsame Punkte zu finden und auf Basis dieser Punkte eine solide Basis schaffen. Da bemühen sich Russland und die Türkei sehr.“

Diese Bemühungen in Europa sieht der Türkei-Experte leider nicht. In den internationalen und bilateralen Beziehungen sei es immer ein Geben und Nehmen. „Leider sehe ich, dass die EU und die westlichen Partner immer nur nehmen und nicht geben möchten“, bemängelt Bilgi. Es müsse eine Win-win-Situation herrschen - auch wenn der eine mehr gewinnt und der andere weniger.

Es sei nachvollziehbar und legitim, dass EU-Länder ihre Energiesicherheit gewährleisten und ihre Lieferanten diversifizieren möchten. „Da muss man sich bemühen und Alternativen dafür schaffen. Und nicht die eine Alternative versuchen, kaputt zu reden und schlecht zu reden. Man kann die eine Alternative behalten und gleichzeitig sehen, welche Alternativen man noch hat. Das erfordert eben Fleiß, Intelligenz, Strategie“. Doch das vermisst Bilgi aktuell in der EU.

Daten und Fakten
Turkish Stream verläuft von Südrussland bis zur nordwesttürkischen Küste unweit von Istanbul über rund 930 Kilometer durch das Schwarze Meer. Durch die Pipeline können jährlich bis zu 31,5 Milliarden Kubikmeter Gas fließen. Baubeginn war 2017. Russland liefert bereits seit 2003 über die Pipeline Blue Stream bis zu 16 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr in die Türkei.

Die Pipeline besteht aus zwei Strängen: Die eine Röhre leitet Gas direkt in die Türkei, die andere verläuft bis zur bulgarischen Grenze und ist für Lieferungen nach Süd- und Südosteuropa bestimmt. Beide sollen gleich viel Gas transportieren - nämlich je 15,75 Milliarden Kubikmeter. Ab der Grenze baut Bulgarien die Pipeline als Balkan Stream weiter bis an die serbische Grenze. Von da soll das Gas nach Ungarn geleitet werden. Lieferungen sollen auch in andere Staaten der Region wie in die Slowakei und Österreich ermöglicht werden. Die Arbeiten in Bulgarien sollen nach den Worten von Regierungschef Boiko Borissow bis Ende Mai 2020 abgeschlossen sein.


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