Warum Putin Merkel "von Herzen" dankt

  12 Januar 2020    Gelesen: 779
Warum Putin Merkel "von Herzen" dankt

Bei ihrem Treffen in der russischen Hauptstadt sprechen Kanzlerin Merkel und Russlands Staatschef Putin überraschend oft von "Einigkeit". Echte Zuneigung sieht aber anders aus, schreibt Charlotte Maihoff aus Moskau.

Tausendmal konferiert – tausendmal ist nichts passiert: Mit "abgekühlt" wären die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland spätestens seit Beginn der Ukraine-Krise vor rund sechs Jahren trotz vieler Treffen und Gespräche noch milde beschrieben gewesen. Doch diesmal, beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau, ist plötzlich viel von "Einigkeit" zwischen beiden Ländern die Rede. Einigkeit, heißt es, gebe es in zentralen Fragen wie Libyen, Syrien oder Iran. Einigkeit gibt es offenbar selbst dort, wo traditionelle Partner Deutschlands, wie etwa die USA, nicht einverstanden sind. Hat es jetzt also doch "Zoom" gemacht zwischen Merkel und Putin?

Nun ja. Russland strebe danach, "gleichberechtigte und respektvolle Beziehungen" zu Deutschland aufzubauen, beginnt Putin sein Statement nach dem Treffen, das knapp zwei Stunden länger dauerte als angekündigt. Merkel lässt uns gleich mehrfach wissen, es sei besser "miteinander und nicht übereinander zu reden."

Klingt nach einem Pärchen, das es nochmal versuchen möchte.

Dafür gibt es Gründe, mit Liebe haben sie allerdings nicht viel zu tun. Russland hat sich faktisch unverzichtbar gemacht in allen Fragen, um die es ging bei diesem Arbeitstreffen. Moskau ist militärisch involviert als Unterstützer Assads in Syrien, mit allen schrecklichen Folgen, wie zum Beispiel den Bomben auf die Region Idlib, die den Menschen dort großes Leid und Europa möglicherweise eine neue Flüchtlingsdebatte bringen.

Putin und das neue Gewicht Russlands

Und doch: Beim Treffen Merkels mit Putin ist man sich einig, dass es nur eine politische Lösung des Konflikts geben kann. Jetzt, nachdem Russland militärisch eingegriffen und dabei auch Lücken gefüllt hat, die der Westen ihm ließ.

Russland kooperiert in Syrien und in anderen Fragen mit dem Iran. Putin teilt mit der Bundesregierung die Auffassung, dass das Atomabkommen mit dem Land nicht neu verhandelt werden muss – entgegen der Haltung des US-Präsidenten Trump, der im vergangenen Jahr den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen besiegelt und zuletzt ein neues, aus seiner Sicht verbessertes Abkommen forderte.

"Wir sind uns einig, dass wir sehr bald zu einer Konferenz in Berlin einladen können", sagt Merkel mit Blick auf Libyen, wo Russland den aufständischen General Haftar unterstützt und nicht die von der EU und den Vereinten Nationen anerkannte Regierung in Tripolis. In der deutschen Hauptstadt soll es dann unter Führung der UN um eine Friedenslösung für das Land gehen.

Gegen den Willen der USA

Einig ist man sich auch, dass das Gas-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 fertiggestellt werden soll, auch wenn die USA mit Sanktionen gegen beteiligte Firmen genau das zu verhindern versuchen. Selbst beim Thema Ukraine betonen beide Seiten das Wenige, das sie eint – und die kleinen Erfolgen, immerhin, die das Normandie-Treffen in Paris von einigen Wochen brachte. Dazu zählen etwa der Gefangenenaustausch zu Weihnachten und vor allem die Bekräftigung aller Seiten – schon wieder –, dass die Minsker Vereinbarungen eingehalten werden müssen.

Es war wirklich erstaunlich: Man sei sich einig, dass ... es herrsche Einigkeit darüber, ... man tue gut daran, nach Gemeinsamkeiten zu schauen, es gebe Überlappungen, ... gemeinsame Lösungsräume, ... Es gab kaum eine Variante aus diesen Wort- und Bedeutungsfeldern, die bei dieser Pressekonferenz nicht fiel.

Putin sieht denn auch die wichtigen Fragen "konstruktiv und eingehend" besprochen und dankt dafür "von Herzen". Merkel dankt, etwas trocken, für die Einladung.

Die Strategie Russlands, geopolitisch wieder relevant zu werden, ist ganz offenbar aufgegangen. Das ist schon länger sichtbar – bei diesem Treffen war es nicht mehr zu übersehen. Und da ist er wohl zu suchen, der tiefere Grund für die neue Einmütigkeit: Es geht eben gerade nicht anders. Viele Ehen halten damit ja über Jahre. Am Glücklichsein müssen beide dann allerdings noch viel arbeiten.

Quelle: ntv.de


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