Die Volksrepublik China stellt mehr Rüstungsgüter her als jeder andere Staat der Erde außer den USA: Zu dieser Einschätzung kommt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri. Chinesische Unternehmen produzierten zwar weniger Rüstungsgüter als US-Konzerne, dafür aber mehr als die gesamte Rüstungsindustrie Russlands, teilten die Friedensforscher in einer ausführlichen Analyse mit. Es handelt sich um die erste umfassende Schätzung zum Produktionsvolumen des chinesischen Waffensektors durch Sipri - bislang hatte das Institut mangels transparenter Daten aus der Volksrepublik auf eine Einordnung von Chinas Rüstungsunternehmen im globalen Vergleich verzichtet.
Nun werteten die Sipri-Forscher erstmals verlässliche Daten der Jahre 2015 bis 2017 aus, um basierend auf den Kennzahlen großer chinesischer Rüstungskonzerne verlässliche Schätzungen zu veröffentlichen. Die vier untersuchten Konzerne verkaufen demnach Rüstungsgüter im Umfang von insgesamt 54,1 Milliarden Dollar (49 Milliarden Euro), was mehr als 16 Milliarden Dollar über dem Wert der zehn größten russischen Unternehmen, aber weit unter den Zahlen der US-Konzerne liegt.
Verglichen mit den Waffenverkäufen der Konzerne aus anderen Ländern liegen alle vier chinesischen Konzerne unter den 20 weltweit größten Rüstungskonzernen des Jahres 2017. Drei davon ordnen sich gar in den Top 10 ein - noch vor der europäischen Airbus-Gruppe. Zu Sipris Top 20 zählten 2017 bisher elf amerikanische, sechs europäische und drei russische Konzerne.
"Wir haben länger den Verdacht gehabt und angenommen, dass Chinas Rüstungsindustrie sehr groß ist", sagte der Sipri-Experte Nan Tian. Weil die bislang verwendeten Eckdaten aber äußerst unverlässlich gewesen seien, habe man in Stockholm bisher auf eine Veröffentlichung verzichtet. Durch den Fund neuer Quellen habe sich das nun verändert. Ab diesem Jahr sollen die chinesischen Zahlen somit auch erstmals in dem im Dezember erscheinenden Sipri-Bericht zu den weltweiten Rüstungsverkäufen berücksichtigt werden. Chinas Rüstungsindustrie besteht laut den Forschern aus zehn großen Waffenkonzernen sowie einem Forschungsinstitut.
Von vier dieser Unternehmen fanden sie Daten mit verlässlichen Finanzinformationen. In diesen Berichten waren die Rüstungsverkäufe zwar nicht explizit aufgelistet, konnten laut Tian aber dennoch schätzungsweise berechnet werden - meistens deutete die Verkaufskategorie "andere" in diesen Berichten auf Waffen oder Rüstungsgüter hin. Der tatsächliche Wert der Waffenverkäufe der gesamten chinesischen Rüstungsindustrie dürfte noch etwas höher und insgesamt zwischen 70 und 80 Milliarden Dollar liegen, sagte Tian.
Für ein vollständiges Bild müssten weitere Informationen zu den anderen sechs chinesischen Rüstungsunternehmen gefunden werden, hieß es. Platz zwei unter den weltweiten Rüstungsproduzenten habe China aber bereits anhand der Werte der vier analysierten Konzerne sicher.
Nachfrage nach chinesischer Rüstung steigt
Größter Abnehmer der Güter ist dabei die Volksrepublik selbst. "Nahezu alle Waffen, die China produziert, werden im Inland vom chinesischen Militär gekauft", sagte Tian. Ein Grund dafür sei, dass Peking bei der Herstellung der Waffen und Technologien für sein Militär völlig unabhängig von anderen Staaten werden wolle. Zugleich gebe es einen langsamen Trend, wonach die Nachfrage aus dem Ausland nach chinesischer Rüstung steige. Bis China jedoch die Exportzahlen von Russland erreiche, sei es noch ein weiter Weg, sagte Tian.
China hat nach Angaben der Friedensforscher seit den 1960er Jahren große Summen in die Modernisierung seiner Rüstungsindustrie gesteckt, ganz besonders seit 1999. Im Gegensatz zu den meisten Unternehmen im Westen fokussieren sich die chinesischen Rüstungskonzerne dabei auf einen bestimmten Produktionssektor wie etwa die Luftfahrt oder Landsysteme.
Sipri definiert Rüstungsverkäufe als Verkäufe militärischer Güter und Dienstleistungen an militärische Abnehmer im In- wie im Ausland. Die meisten als Rüstungsunternehmen bezeichneten Konzerne verkaufen neben Waffen und Rüstungsgütern auch andere Produkte für den zivilen Markt.
spiegel
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