Es knirscht im deutsch-polnischen Getriebe

  12 Februar 2016    Gelesen: 1455
Es knirscht im deutsch-polnischen Getriebe
Seit fast drei Monaten ist Beata Szydlo Regierungschefin von Polen. Doch erst jetzt kommt die Nationalkonservative zum Antrittsbesuch nach Berlin. Die Bundesregierung hofft auf eine Wende im deutsch-polnischen Verhältnis, um das es nicht zum Besten steht.
Beata Szydlo hat sich Zeit gelassen. Eigentlich steht das jeweilige Nachbarland seit Jahren ganz oben auf der Liste der ersten Dienstreisen neuer Berliner oder Warschauer Politiker, zusammen mit Paris und Brüssel. Doch die nationalkonservative Regierungschefin, seit fast drei Monaten im Amt, kommt erst jetzt zum Antrittsbesuch nach Berlin. "Das ist die erste Gelegenheit zu einem wirklich intensiven und ausführlichen Meinungsaustausch. Darauf freut sich die Bundeskanzlerin", sagte der Berliner Regierungssprecher Steffen Seibert über Szydlos Besuch.

Allein am ehrgeizigen Programm der nationalkonservativen polnischen Regierung, die auch auf Nachtsitzungen und am Silvestertag umstrittene Gesetzesvorhaben beschloss, kann der späte Berlin-Besuch nicht gelegen haben. Szydlo hatte gleich mehrfach Zeit für den ungarischen Amtskollegen Viktor Orban, auch beim britischen Premierminister David Cameron war sie zu Gast und als sie vor kurzem besonders häufig auf Dienstreisen war, scherzte sie: "Manchmal weiß ich nicht, ob wir Premier Polens oder Premier Europas sind."

Gewiss, der polnische Außenminister Witold Waszczykowski hat wiederholt betont, Deutschland sei der wichtigste Nachbar Polens und gute deutsch-polnische Zusammenarbeit sei eines der Ziele polnischer Außenpolitik. Doch ausgerechnet in dem Jahr, in dem viele deutsch-polnische Initiativen 25 Jahre des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags feiern wollen, knirscht es im Getriebe. Die Kritik deutscher EU-Politiker an den Gesetzesreformen der Nationalkonservativen kam in Polen nicht gut an. Für Warschauer Politiker und die ihnen nahe stehenden Medien spielte dabei kaum eine Rolle, dass die kritischen Worte vor allem aus Brüssel und nicht so sehr aus Berlin kamen.

Angst vor Rückfall in alte Zeiten

Plötzlich war es wieder da, das hässliche Bild der besserwisserischen Deutschen, die den Polen sagen wollen, wo es lang geht - eine Rolle, zu der sie aus polnischer Sicht auch moralisch kein Recht haben, gerade mit Blick auf deutsche Verbrechen in Polen während des Zweiten Weltkrieges. Auf den Titelseiten polnischer Magazine tauchten einmal mehr Fotomontagen deutscher Politiker in Nazi-Uniformen auf. Hinzu kommen etwa im Zusammenhang mit dem Bau der Pipeline Nord-Stream 2 Ängste, polnische Interessen könnten übergangen werden.

Gleich mehrfach warben deutsche Regierungspolitiker in den vergangenen Wochen darum, deutsch-polnischer Freundschaft eine Chance zu geben. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erinnerte bei seinem Besuch in Warschau an den jahrzehntelangen Versöhnungsprozess, für den sich so viele Menschen auf beiden Seiten engagierten. "Viele von uns haben viel Herzblut in den Prozess des Wiederaufbaus des Vertrauens gesteckt", versicherte er. Da dürfe das deutsch-polnische Verhältnis nicht zum "Spielball der Tagespolitik" werden.

Labile Freundschaft unter Nachbarn

"Polen muss man umarmen, nicht verstoßen", betonte auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und erinnerte während seines Polen-Besuchs an den Mut des Breslauer Kardinals Boleslaw Kominek, der der Autor des berühmten Versöhnungsbriefes der polnischen Bischöfe war: "Angesichts des Mutes dieses Kardinals müssten wir Politiker uns heute schämen über unsere Kleinmütigkeit, wenn wir uns auseinandertreiben lassen."

Das Liebesbekenntnis kommt von einem, der nicht erst als Bundesminister Polen entdeckt hat: Bei Warschau-Besuchen erinnert sich Gabriel gerne an Treffen mit polnischen Intellektuellen in den 80-er Jahren im geschützten Raum einer Warschauer Kirche, als eine Wiedervereinigung Deutschlands und eine EU-Mitgliedschaft Polens noch völlig utopisch erschienen.

Doch derzeit reicht schon eine Kleinigkeit, um in Warschau Verstimmung über den westlichen Nachbarn auszulösen, wie zuletzt der rheinische Frohsinn. Einen Düsseldorfer Motivwagen, der Polen als misshandelte Frau unter dem Stiefel des nationalkonservativen Parteichefs Jaroslaw Kaczynski zeigte, fand Außenminister Waszczykowski überhaupt nicht jeck. In einem Interview kündigte er prompt eine diplomatische Intervention an - Polen wolle von den deutschen Partnern wissen, wie es zu solcher "Verachtung der Polen und polnischer Politiker" kommen könne. Ob das Thema bereits bei Szydlos Berlin-Besuch zur Sprache kommen soll, blieb offen.

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