Sputnik hat darüber mit Inga Stein-Barthelmes gesprochen, Leiterin des Bereichs Politik und Kommunikation bei dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. Sie hat dabei ganz konkrete Forderungen an die deutsche Politik.
- Frau Stein-Barthelmes, immer wieder gibt es in China Beispiele für Bauvorhaben, die uns staunen lassen: So wurde beispielsweise ein kompletter Bahnhof in 9 Stunden hochgezogen, oder aktuell ein 1000-Betten-Krankenhaus in 8 Tagen. Ist so etwas auch in Ihren Augen eine beeindruckende Leistung?
- Ja, auf jeden Fall ist das aufgrund der Schnelligkeit eine beeindruckende Leistung. Was man natürlich nicht vergessen darf: In China herrschen ganz andere Bedingungen. Zum einen sind das natürlich die rechtlichen Bedingungen. Das sind größtenteils staatliche Unternehmen, die dann genau für dieses eine Projekt eingesetzt werden. Sie haben also diese ganzen Behördengänge und Genehmigungsverfahren nicht so, wie es in Deutschland der Fall ist. Aber die Zeit ist natürlich wahnsinnig beeindruckend, das sehen wir auch so.
- Was sind dann also die wohl größten Unterschiede zwischen der chinesischen und der deutschen Bauwirtschaft? Geht es da allein um die gesetzlichen Vorschriften?
- Es ist ein riesengroßer Unterschied. Fangen wir beim Thema Arbeitsschutz an: Wenn Sie sich schon einmal eine chinesische Baustelle angeschaut haben, dann sehen Sie dort den ein oder anderen Arbeiter in Flipflops, vielleicht noch mit einem Halstuch, und der rührt gerade Teer an. Das ist natürlich und selbstverständlich hier in Deutschland überhaupt gar nicht möglich. Da gelten ganz andere Rahmenbedingungen, die selbstverständlich eingehalten werden müssen.
Das andere sind die Baugenehmigungsverfahren, die dauern hier in Deutschland auch länger als in China. Wir haben hier unter anderem eine Energieeinsparungsverordnung, die eingehalten werden muss. Wir haben aber auch unterschiedliche Landesbauordnungen: Das Haus oder das Gebäude, das Sie in Baden-Württemberg erstellen, können Sie nicht genauso dann gleichzeitig in Hamburg bauen. Da muss dann noch einmal ein Verfahren durchlaufen werden. Das spielt auch eine Rolle, warum das ganze natürlich Zeit kostet. Das hat China anders geregelt. Ob das dort besser ist, wage ich an der ein oder anderen Stelle ehrlich gesagt zu bezweifeln. Aber dadurch geht es dort schneller.
- Vom Berliner Großflughafen BER wissen wir, dass auch die immer strengeren gesetzlichen Regelungen zu einer Verzögerung geführt haben. Welche gesetzlichen Hürden und Vorschriften machen der deutschen Baubranche das Leben besonders schwer?
- Zum einen sind das die 16 unterschiedlichen Landesbauordnungen, die wir haben. Das kostet einfach Zeit, wenn Sie die Gebäude nicht zeitgleich in allen Bundesländern erstellen können. Es geht aber auch um bestimmte Normen, die gesetzlich auferlegt sind und die teilweise hoch komplex sind. Also die Komplexität des Bauens an sich hat zugenommen. Vielleicht sollte man da bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen „back to the roots“ gehen: Auch eine immer komplexere Technik, die am Ende niemand mehr bedienen kann, ist nicht gerade hilfreich. Man muss vielleicht manchmal überlegen, ob man nicht doch noch einmal guckt: Was macht Sinn, was ist nur ein Kostentreiber und was brauchen wir wirklich. Da gibt es viele Stellschrauben, vor allem im Normungsbereich, die man vielleicht noch einmal ändern kann.
- Gehen wir von klassischen Bauwerken weg und hin zum Straßenbau: Vor allem auf Autobahnen oder Landstraßen hat man als Autofahrer häufig das Gefühl, monatelang passiert in den Baustellen wenig. Da wird lange abgesperrt, eine Planierraupe hingestellt und dann dauert es erst einmal. Woran liegt das?
- In dem Fall geht es um klassische Genehmigungsverfahren. Es kommt immer darauf an: Wenn die Straße gebaut wird, dann geht es ja nicht immer nur um Straßenbau. Wenn Sie die Straße erstellen wollen, überlegt man sich natürlich, ob man das ein oder andere noch mit in die Straße hineinlegt, wie Breitband und Ähnliches. Hierfür müssen die Kommunen die Genehmigungsverfahren entsprechend erteilen und das dauert einfach. Das ist ein Punkt, warum man manchmal auch als Autofahrer das Gefühl hat, da tut sich überhaupt nichts, weil für die ein oder andere Maßnahme noch keine Genehmigung vorliegt.
Auch darf man nicht vergessen: Wir haben gerade im Straßenbau ein großes Deponieproblem. Das heißt, die Straße, die Sie heute erstellen, die bessern Sie in zehn Jahren aus. Der vorher dort neu verlegte Boden wird dann also wieder abgerissen. Sie dürfen diesen Schotter aber nicht wiederverwenden, weil dieser Teil der Straße durch Abgase verseucht ist. Dieser Müll müsste also auf Deponien sonderentsorgt werden, aber diese haben derzeit überhaupt keine Kapazitäten mehr. Das ist ein unglaublicher Kostenfaktor, und dadurch wird auch Zeit in Anspruch genommen, weil man das alles nicht so schnell entsorgen kann, wie man es eigentlich will.
- Wie steht es um die Auslastung der deutschen Bauindustrie? Und gibt es hierzulande personelle oder materielle Engpässe derzeit?
- Wir als Bauindustrie merken bei unseren Mitgliedsunternehmen, dass man dort eher bei spezialisierten Fachkräften gucken muss, wo man diese herbekommt. Noch funktioniert das. Aber natürlich sind unsere Mitgliedsunternehmen in der großen Kategorie unterwegs, dass sie auch aus dem Ausland Arbeiter anstellen können. Wo es eher hakt - da sind wir aber wieder beim Hochbau – dass, wenn der Rohbau steht und es dann an den Ausbau geht, das Handwerk dann einen Fachkräfte- und Kapazitätsmangel hat. Da sehen wir, dass es dort wirklich hapert und Leute fehlen.
- Welche Forderungen haben Sie eventuell an die deutsche Politik, Bauvorhaben zu beschleunigen oder Regelungen zu vereinfachen? Es müssen ja nicht direkt chinesische Verhältnisse sein …
- Da haben Sie völlig Recht, absolut nicht. Das eine ist: 16 Landesbauordnungen machen keinen Sinn. Da würden wir uns eine Bundesbauordnung wünschen. Dann sollte man ganz klar bei den Normen schauen, brauche ich denn beispielsweise in der Innenstadt einer Metropole wirklich immer eine Tiefgarage, oder will ich da nicht auch mal in die Richtung ÖPNV gehen.
Und ganz klassisch ist: Wir in der Bauindustrie sagen auch, serieller und modularer Wohnungsbau muss sehr viel mehr gefördert werden und auch von der vergaberechtlichen Situation zugelassen werden. Man muss einfach das Planen und das Bauen zusammenführen und nicht immer getrennt betrachten. Da wäre uns als Bauindustrie und auch dem Wohnungsbau wahnsinnig geholfen.
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