Der Bulle im Weißen Haus

  06 Februar 2020    Gelesen: 354
Der Bulle im Weißen Haus

Ob Coronavirus oder abflauendes Wachstum - der Boom an den US-Börsen lässt sich offenbar durch nichts aufhalten. Für Donald Trump könnte das zum wichtigen Faktor für die Wiederwahl werden.

Zumindest einer kann dem Coronavirus etwas Gutes abgewinnen: US-Wirtschaftsminister Wilbur Ross. Die vor allem in China grassierende Epidemie wird seiner Ansicht nach dafür sorgen, dass Unternehmen ihre Produktion zurück nach Amerika verlagern. Er wolle ja keinen Freudentanz aufführen, sagte Ross dem Sender Fox – Aber: "Ich glaube, das wird helfen, die Rückkehr von Jobs nach Nordamerika zu beschleunigen."

Der zynische Kommentar des Ministers ist Teil einer Inszenierung, deren Spielzeit sich bis November 2020 erstreckt. Ihr Titel: "Das große amerikanische Comeback". In drei Akten feiert US-Präsident Donald Trump darin ausgiebig seine Erfolge: Die Konjunktur läuft, der Arbeitsmarkt boomt, die Börsenkurse steigen. Seine Kabinetts-Claqueure gehen auf Tournee, um die Botschaft unter das zu Volk bringen. Und nichts darf das Bühnenbild stören.

Bei seinem Auftritt am Dienstagabend im US-Kongress hat Trump die Lage der Wirtschaft in das Zentrum des Präsidentschaftswahlkampfs gerückt. Es ist ein geschicktes Manöver: Laut einer aktuellen Gallup-Umfrage finden 63 Prozent der Amerikaner Trumps Wirtschaftspolitik gut. Das Zukunftsvertrauen ist so groß wie zuletzt vor gut zwei Jahrzehnten. Dass das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts weit unter Trumps selbst erklärtem Ziel von drei Prozent bleibt, dürfte den Wählern egal sein, so lange die Arbeitslosigkeit nicht steigt.

Ein Faktor spielt in Trumps Comeback-Erzählung eine zentrale Rolle: die Börsen.

Millionen Amerikanern mit Rentensparplänen gehe es so gut wie nie, prahlte er in seiner Rede zur Lage der Nation. Sie könnten sich über Wertzuwächse ihrer Ersparnisse "von 60, 70, 80, 90 und sogar 100 Prozent" freuen. Wie üblich waren Trumps Zahlen aus der Luft gegriffen. Zudem profitieren die meisten Menschen gar nicht unmittelbar von der Börsenhausse.  Zwar hat rund die Hälfte der Amerikaner Wertpapiere im Depot oder im Altersvorsorgefonds. Doch laut einer Studie des Ökonomieprofessors Edward Wolff von 2016 gehören den oberen zehn Prozent der Bevölkerung 84 Prozent aller Aktien. Weitere zehn Prozent halten einen Anteil von 9,3 Prozent. Die verbliebenen 80 Prozent der Amerikaner teilen sich 6,7 Prozent des Aktienbestands. Für die meisten Haushalte sei ein Kursanstieg deshalb "ziemlich bedeutungslos für ihr Wohlergehen", urteilte Wolff. Zudem können die meisten Privatanleger ihre Papiere aufgrund der Steuerregelungen sowieso erst mit dem Renteneintritt versilbern.

spiegel


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