EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte am Dienstag im EU-Parlament in Straßburg von der Regierung in London "Garantien" gegen Sozial- und Umweltdumping. Ihr Chefunterhändler für die Beziehung mit Großbritannien, Michel Barnier, erteilte einem allgemeinen Übereinkommen im für die britische Wirtschaft wichtigen Finanzbereich eine Absage.
In der Frage dürfe es "keine Illusionen" geben, sagte der Franzose: "Es wird keine allgemeine, globale oder permanente Äquivalenz bei Finanzdienstleistungen geben". Auch eine gemeinsame Festlegung von Standards und Regeln für den Finanzmarkt ist demnach nicht vorgesehen. "Wir werden die Kontrolle über diese Instrumente behalten", fügte Barnier hinzu.
Von der Leyen zeigte sich bereit, "mit höchstem Ehrgeiz" in die Gespräche zu gehen und eine Handelsbeziehung ohne Zölle und mengenmäßige Beschränkungen zu vereinbaren. "Aber das erfordert natürlich entsprechende Garantien für fairen Wettbewerb und den Schutz von Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards".
Großbritannien war Ende Januar aus der EU ausgetreten. Bis Ende des Jahres gilt eine Übergangsphase, in der das Vereinigte Königreich noch im EU-Binnenmarkt und der Zollunion bleibt. Diese Zeit wollen beide Seiten nutzen, um insbesondere ein Handelsabkommen auszuhandeln. Für ein Abkommen inklusive Bereichen wie Dienstleistungen, Datenschutz und Finanzgeschäfte halten Diplomaten die Zeit jedoch für zu knapp.
Der britische Finanzminister Sajid Javid kündigte dennoch an, eine "dauerhafte" Regelung für den Finanzsektor im Rahmen des angestrebten Handelsabkommens mit der EU finden zu wollen. London werde EU-Regeln künftig nicht mehr einfach übernehmen, sagte Javid der Londoner Wirtschaftszeitung "City A.M.". "Vielleicht werden wir manches so machen wie die EU, wenn das für Großbritannien funktioniert. Aber es wird Unterschiede geben."
Von der Leyen betonte in Straßburg, Großbritannien sei frei darin zu entscheiden, welche Art von Handelsbeziehung es künftig wolle. Sie sei "etwas überrascht" gewesen, dass Premierminister Boris Johnson auch ein Modell nach dem Vorbild Australiens ins Gespräch gebracht habe. "Die Europäische Union hat kein Handelsabkommen mit Australien", sagte die Kommissionschefin, sondern handele mit dem Land nach den Mindeststandards der Welthandelsorganisation.
"Natürlich kann das Vereinigte Königreich entscheiden, sich für weniger zu entscheiden", sagte von der Leyen. "Aber ich denke persönlich, dass wir deutlich ehrgeiziger sein sollten."
Das Europaparlament will am Mittwoch seine Position zu den anstehenden Verhandlungen in einer Entschließung verabschieden. Laut Entwurf verlangen die Abgeordneten, dass sich Großbritannien dauerhaft an EU-Standards hält. Über eine sogenannte dynamische Anpassung müsste Großbritannien demnach seine Regeln nachbessern, sobald die EU in Zukunft ihre Standards erhöht.
Die EU-Mitgliedstaaten wollen das Mandat für die Verhandlungen am 25. Februar verabschieden. Die Gespräche könnten dann Anfang März beginnen.
AFP.com
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