Historisch niedrige Beteiligung bei den Kommunalwahlen in Frankreich inmitten der Coronavirus-Krise: Laut Prognosen vom Sonntagabend gingen nur rund 44 bis 46 Prozent der Wähler zu den Urnen - so wenige wie noch nie in einer ersten Runde seit Gründung der Fünften Republik 1958. Während die Grünen deutlich zulegen konnten und auch die Rechtspopulisten Gewinne verzeichneten, wird ein Dämpfer für die Partei von Präsident Emmanuel Macron erwartet.
Aus der Opposition wurden Rufe nach einem Aufschub der Stichwahl laut, die für den kommenden Sonntag geplant ist. Gesundheitsminister Olivier Véran sagte im Sender France 2, er werde zu Wochenbeginn mit den Experten über das Thema beraten.
Die nationale Gesundheitsbehörde Frankreichs kündigte zugleich einen massiven Anstieg der Coronavirus-Fälle an. Die Zahl der Toten stieg demnach auf 127 und die der Infizierten auf 5423. Frankreich ist damit eines der am stärksten betroffenen Länder der EU. Ab Montagmorgen um 08.00 Uhr sollen die deutsch-französischen Grenzen wieder schärfer kontrolliert werden, wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mitteilte. Vor allem Touristen sind von den Einschränkungen betroffen.
Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen forderte einen Aufschub der Stichwahlen um mehrere Monate. "Nun hat die Stunde des Gesundheitskriegs geschlagen", betonte sie. Sie kritisierte die Regierung und Präsident Emmanuel Macron scharf für ihre "ideologischen und widersprüchlichen" Entscheidungen. Auch Politiker der Grünen und der bürgerlichen Republikaner forderten einen vorläufigen Abbruch der Wahlen.
Öffentliches Leben ruht weitestgehend
Seit Sonntag sind in Frankreich alle Cafés, Restaurants, Kinos, Museen und Theater geschlossen, ab Montag bleiben auch Schulen und Hochschulen sowie die meisten Geschäfte geschlossen. Viele Menschen in Paris und anderen Orten widersetzten sich bei mildem Wetter aber dem Aufruf der Regierung, vorsorglich zu Hause zu bleiben. Gerechnet wird mit einer baldigen Ausgangssperre wie in Italien und in Spanien.
Premierminister Edouard Philippe dankte allen Wählern, die trotz der strengen Auflagen zur Wahl gegangen waren. Der Regierungschef von der Partei La République en Marche (Die Republik in Bewegung) von Präsident Emmanuel Macron liegt bei der Bürgermeisterwahl in Le Havre am Ärmelkanal mit rund 43 Prozent vorne, dort ist eine Stichwahl nötig.
Denkzettel für Macron
Landesweit wird eine deutliche Quittung für Macron erwartet, gegen dessen Rentenreform in den vergangenen Monaten hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen waren. Die Grünen legten dagegen nach ersten Hochrechnungen deutlich zu. In Bordeaux können sie sich Hoffnungen auf das Bürgermeisteramt machen, auch in anderen Großstädten wie Lyon und Rennes verzeichneten sie Gewinne.
Die Ergebnisse von Le Pens Rechtspopulisten fielen gemischt aus: In ihrer Hochburg Hénin-Beaumont in Nordfrankreich stellen sie auch künftig den Bürgermeister. Auch Perpignan in Südfrankreich könnten sie für sich entscheiden. In anderen Gemeinden schnitten sie dagegen laut Prognosen weniger gut ab.
Amtsinhaberin in Paris vorn
In der Hauptstadt Paris liegt die bisherige Bürgermeisterin Anne Hidalgo von der früheren Regierungspartei der Sozialisten mit gut 30 Prozent nach dem ersten Durchgang deutlich vorne. In der Stichwahl dürfte sich das Rennen zwischen ihr und der früheren Justizministerin Rachida Dati entscheiden, die von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy unterstützt wird.
Bei der letzten Kommunalwahl vor sechs Jahren hatte die Beteiligung noch rund 20 Prozent höher gelegen. Insgesamt waren rund 48 Millionen Franzosen aufgerufen, die Stadt- und Gemeinderäte in 35.000 Kommunen zu bestimmen und Bürgermeister zu wählen. Die Regierung hatte die Gemeinden aufgefordert, Atemmasken, Desinfektionsgel und Einmalhandschuhe bereitzustellen und ältere Bürger besonders zu schützen.
ntv
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