Die Polizei in Nordrhein-Westfalen braucht Geschichten wie diese, denn die Täter aus der Silvesternacht sind schwer zu fassen. Doch nach und nach scheint sie die Lage in den Griff zu bekommen. Ab diesem Donnerstag beschäftigt sich nun auch ein Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags mit den Vorfällen in der Silvesternacht und den Konsequenzen daraus.
Zuerst werden die Abgeordneten den Polizeieinsatz en détail auswerten. Den Kölner Polizisten selbst ist mittlerweile klar, wo es einen Fehler gegeben hat.
Planung richtig, Reaktion falsch
Die Planung des Einsatzes war demnach korrekt, denn mit dem, was passiert ist, konnte niemand rechnen. Doch dann wurde versäumt, Verstärkung anzufordern. Der Einsatzleiter war auf dem Weg zum Dienst gegen 20 Uhr selbst über den Bahnhofsvorplatz gelaufen und hatte gesehen, was sich dort zusammenbraute. So steht es in einem Bericht des Innenministeriums. Der Einsatzleiter meldete die Lage nach Informationen von ZEIT ONLINE auch seinem Vorgesetzten, dem Chef der Leitstelle. Dieser bekam wenig später ein Angebot des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste, weitere Einsatzkräfte zu schicken – und lehnte ab.
Aus Kreisen der Polizei heißt es, der Chef der Leitstelle habe es auch lange versäumt, seinen Vorgesetzten, den Polizeiführer vom Dienst, zu alarmieren. Bei Lagen dieser Art wäre das unbedingt notwendig gewesen. Doch es geschah erst gegen 4 Uhr, als sich die Lage schon beruhigt hatte, wie eine Auswertung von ZEIT ONLINE zeigt.
Dass die Polizei die Lage nicht im Griff hatte, lag also wahrscheinlich an individuellen Fehlern. Doch dass diese Lage überhaupt entstanden ist, hat mit Versäumnissen auf vielen Ebenen zu tun.
Den Flüchtlingen angeschlossen
Denn die Polizei wusste, dass problematische junge Nordafrikaner gibt, die sich oft erst seit einigen Monaten in Deutschland aufhalten und es schwer haben, sich zu integrieren. Einige von ihnen lebten schon in Algerien oder Marokko auf der Straße. Dann beobachteten sie, wie es immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland schafften – und schlossen sich an. Andere lebten vorher ohne Papiere in Italien oder Spanien und sahen ihre Chance, in Deutschland unterzukommen. Sie stellen einen Asylantrag und haben damit zumindest für einige Zeit eine Unterkunft. Wenn der Antrag abgelehnt wird, tauchen sie wieder unter, das Gefängnis schreckt sie kaum, weil sie wenig zu verlieren haben. So erzählt es Samy Charchira, Mitbegründer der Netzwerks Marokkanische Migration mit Sitz in Düsseldorf. Was er sagt, deckt sich mit dem Stand der Ermittlungen.
Weil kaum einer der jungen Männer wirklich Aussicht auf Asyl hat, greifen Integrationsmaßnahmen nicht. Wer nicht dauerhaft im Land bleiben darf, bekommt weder einen Sprachkurs bezahlt, noch darf er einen Integrationskurs besuchen oder gar arbeiten gehen. Es gibt dennoch Projekte, die sich an junge, straffällig gewordene Nordafrikaner wenden. Es gibt dort Freizeit- und Kulturangebote, Sprachkurse und Einzelberatung. Den Jugendlichen sollen Handlungsalternativen zur Kriminalität aufgezeigt werden. Doch das ist schwierig, weil das Verhalten der jungen Männer aus ihrer Sicht ja rational ist: Sie haben wenig zu befürchten und kaum etwas zu verlieren.
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