Warum Kliniken jetzt Kurzarbeit anmelden

  04 April 2020    Gelesen: 808
 Warum Kliniken jetzt Kurzarbeit anmelden

Deutsche Krankenhäuser stocken Intensivbetten auf und mobilisieren Ärzte und Pfleger. Doch nun prüfen immer mehr Kliniken Kurzarbeit – wie passt das zusammen?

Deutschlands Krankenhäuser bauen im Eiltempo ihre Intensivstationen aus, kaufen Beatmungsgeräte und diskutieren sogar über die Rückholung pensionierter Ärzte. Gleichzeitig räumen sie andere Stationen leer - alle nicht unbedingt notwendigen Operationen werden verschoben. Eine Ansage der Politik, um die Kliniken vorzubereiten auf Covid-19-Patienten.

Für einige Kliniken führt das zu einer paradoxen Situation: Bis der Ansturm kommt, sind manche Abteilungen unterbeschäftigt. Gerade für private Krankenhäuser kann das schnell zum finanziellen Problem werden.

Der SPIEGEL hat bei Kliniken in privater, kirchlicher und öffentlicher Trägerschaft nachgefragt: Nutzen sie Kurzarbeit? Und welche Rolle spielt das Geld?

"Hochaktiver Schockzustand"
"Das Gesundheitssystem ist in einem hochaktiven Schockzustand", sagt Martin Siebert, Vorstandschef der privaten Paracelsus-Kliniken, einer der großen privaten Klinikträger in Deutschland. "Alle Aufmerksamkeit richtet sich derzeit auf diesen Corona-Tsunami." Denn während sich die Krankenhäuser auf die große Anzahl von Coronapatienten vorbereiteten, würden nicht zwingend notwendige Leistungen - wie etwa Gelenk-Operationen – stark zurückgefahren.
Damit brechen den Kliniken wichtige Einnahmequellen weg. Zwar habe der Bundestag bereits mit entsprechenden Hilfen auf die Notlage der Krankenhäuser und Reha-Kliniken reagiert. Doch diese werden laut Paracelsus "voraussichtlich nicht ausreichen, die wirtschaftliche Stabilität der Einrichtungen in diesem kritischen Ausnahmezustand zu gewährleisten." Deshalb bleibe dem Träger "keine andere Wahl", als vorsorglich Kurzarbeit anzumelden. Umgesetzt werde sie allerdings bislang noch nicht, sagt eine Sprecherin.

Auch die Asklepios-Kliniken, ein weiterer großer privater Klinikverbund, beklagt "große Löcher" im Rettungsschirm für Krankenhäuser – besonders betroffen seien die Rehabilitationshäuser und die Finanzierung von Schutzmaterialien. In einigen Rehakliniken, die nicht als Ersatzkrankenhäuser gelten, prüfe man daher Kurzarbeit und werde sie gegebenenfalls auch umsetzen. Denn weil weniger Gelenk-OPs und andere verschiebbare Eingriffe durchgeführt würden, "kommen natürlich weniger Patienten in die Reha. Zusätzlich ist in der Bevölkerung eine deutliche Unsicherheit zu spüren, die ebenfalls zu Rückgängen in der Belegung führt", schreibt Sprecher Rune Hoffmann auf Anfrage.

In Hoffmanns Augen hat das Ganze sogar System: "Der Rettungsschirm leistet zu guter Letzt auch deshalb keinen vollständigen Erlösausgleich, weil die Rehaeinrichtungen das Instrument der Kurzarbeit in Anspruch nehmen sollen."

Vor allem private Träger setzen auf Kurzarbeit
Auch bei den ebenfalls privat geführten Schön-Kliniken setzt man auf Kurzarbeit, vor allem in patientenfernen Bereichen: "Wo keine Patienten für geplante Operationen aufgenommen werden, braucht es beispielsweise auch keine Verwaltungskräfte, um deren Aufnahme vorzubereiten", sagt Sprecherin Astrid Reining. Und betont, dass dies bei den Schön-Kliniken nicht zu finanziellen Nachteilen führe, "da wir den Nettolohn freiwillig auf 100 Prozent aufstocken." Auch die Paracelsus-Kliniken stocken die Gehälter immerhin auf 93 Prozent auf, bei Mitarbeitern mit Kindern sogar auf 95 Prozent.

Das katholische Krankenhaus Reinbek in einem Vorort von Hamburg dagegen beschreibt eine andere Situation: "Kurzarbeit ist bei uns überhaupt kein Thema", sagt Personalchef Fabian Linke. "Manche Bereiche haben vielleicht etwas weniger zu tun, aber dann schieben wir Personal von A nach B." Ansonsten würden manche Teile der Belegschaft die Zeit nutzen, um Überstunden abzubauen oder liegengebliebene Dinge abzuarbeiten.

Die große Welle wird für Mitte April erwartet
Ähnlich sieht das auch das Universitätsklinikum Freiburg im Breisgau – ein öffentliches Krankenhaus. "Wir haben keine Kurzarbeit angemeldet und haben das auch nicht vor", sagt Sprecher Benjamin Waschow. "Wir brauchen gerade jede und jeden zur Vorbereitung auf die Covid-Welle." Das sogenannten "elektive" Programm, also nicht sofort notwendige Leistungen, sei auch hier stark reduziert, aber: "Arbeit ist da: Wir haben momentan 80 Covid-Patienten." Und parallel würden die Mitarbeiter geschult für die Corona-Behandlung , sowohl im intensiven als auch nichtintensiven Bereich. "Wir sind in unmittelbarer Nähe zum Elsass und damit der Entwicklung ein bisschen voraus. Wir rechnen mit dem großen Ansturm Mitte April."

spiegel


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