Ärzte und Pflegekräfte stehen in der Coronakrise an vorderster Front. Sie haben ständigen und unmittelbaren Kontakt zu Patienten, die mit dem hochansteckenden Virus Sars-CoV-2 infiziert sind. Steckt sich das medizinische Personal an, hat das weitreichende Folgen - von Personalmangel bis zu einer schnellen Ausbreitung des Virus in den Krankenhäusern. Um dieses Szenario zu verhindern, setzen Experten vor allem auf Schutzmittel jeglicher Art: Masken, Brillen, Kittel.
Doch genau davon gab es in Italien zu wenig. Und das ist einer der Gründe dafür, warum sich manche Krankenhäuser südlich der Alpen zu dem entwickelten, was sie eigentlich nie sein sollten: Aus Orten der Hilfe wurden plötzlich Beschleuniger der Pandemie. Mehrere Ärzte und Wissenschaftler aus Bergamo, einem Brennpunkt des Ausbruchs, beschreiben das Desaster jetzt in einem Fachartikel: "Menschen im Gesundheitssystem sind Träger des Virus, ohne selbst Symptome zu zeigen, oder sie werden krank, ohne dass das überwacht wird."
Bis zu zehn Prozent des medizinischen Personals in Italien infiziert
Fast hundert Ärzte sind dem Mediziner-Verband Fnomceo zufolge bisher an der Lungenkrankheit gestorben. Und mehr als 10.000 Beschäftigte im medizinischen Sektor, etwa in Krankenhäusern, Praxen und Labors, haben sich seit dem Ausbruch im Februar mit Sars-CoV-2 angesteckt, wie die Zeitung "La Repubblica" kürzlich schrieb. Fachverbände sprechen von acht bis zehn Prozent des gesamten medizinischen Personals. Auch in China kam es zu zahlreichen Erkrankungen von Ärzten und Pflegekräften, ähnlich ist die Lage in Spanien. Dort ist Schutzausrüstung ebenfalls knapp.
Wie könnte sich diese Problematik in Deutschland verhindern lassen? Grundsätzlich bestehe durch den ständigen Kontakt zwar ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für patientennahe Berufe, sagt die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Heidrun Gitter. "Das Risiko verkleinert sich aber, weil die Menschen in diesen Berufen ausgebildet sind und wissen, wie sie sich schützen." Allerdings könne dies nur dann gelingen, wenn es genügend Schutzkleidung gebe. Auch in Deutschland drohe ein Engpass, insbesondere bei Schutzmasken. "Da muss mehr nachkommen."
Ärzte und Pflegekräfte jeden Tag testen?
Dass Schutzkleidung entscheidend dafür ist, Ansteckungen zu verhindern, darin sind sich alle Experten einig. Bislang schätzt Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery das Risiko, dass sich die Situation hierzulande ähnlich wie in Italien und Spanien entwickelt, eher mäßig ein. Die Bundesregierung gebe sich große Mühe, etwa mehr Schutzmasken zu besorgen - er hoffe, dass das reicht. Der deutsche Berufsverband für Pflegeberufe sieht das skeptisch. Die unter anderem von Regierungen bestellte Lieferung werde sicher nicht lange vorhalten, heißt es.
In Deutschland steht außerdem die Idee im Raum, medizinisches Personal jeden Tag auf den Erreger zu testen - und zwar unabhängig von Symptomen oder einem Kontakt zu Menschen mit einer nachgewiesenen Infektion. Einige Krankenhäuser würden ein solches Vorgehen anwenden, um Personal, das Kontakt mit Infizierten hatte, nicht in Quarantäne schicken zu müssen, teilt die Deutsche Krankenhausgesellschaft mit.
Bei Personalnot könnten Infizierte zum Einsatz kommen
"Wenn es die Kapazitäten hergeben, und das sieht momentan nicht so aus, halte ich es durchaus für sinnvoll, Personal, das sich in erster Reihe befindet, regelmäßig zu testen", sagt Montgomery. Nach Ansicht der Ärztevereinigung Marburger Bund ist das allerdings kaum praktikabel. Derzeit seien schlicht zu wenig Testkapazitäten vorhanden. Es bestünde die Gefahr, dass es nicht mehr genug Testmöglichkeiten für symptomatische Patienten gebe.
Gitter hält die Idee des täglichen Testens grundsätzlich nicht für falsch, hat aber Bedenken. Denn bei täglichen Tests gebe es eventuell eine für den Nachweis zu kleine Viruslast. Bei einer höheren Anzahl an infizierten Beschäftigten und dadurch entstehender Personalnot müsse überlegt werden, ob man Ärzte und Pfleger, die zwar positiv getestet, aber symptomfrei sind, Corona-Patienten behandeln lässt - sofern die Mitarbeiter dem zustimmen.
spiegel
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