Nach der überraschenden Ankündigung der Islamistenmiliz, während der Feiern zum Ende des Ramadan von Sonntag an sämtliche Angriffe vorübergehend einzustellen, sagte auch Präsident Aschraf Ghani eine Kampfpause der Armee zu. Ghani kündigte am Sonntag zudem die Freilassung von bis zu 2000 gefangenen Taliban-Kämpfern an und erklärte sich zu sofortigen Friedensgesprächen bereit.
Die Taliban hatten am Samstag angekündigt, während der Eid-al-Fitr-Feiertage auf "offensive Einsätze gegen den Feind" zu verzichten. Ghani begrüßte die Initiative umgehend und kündigte ebenfalls eine Feuerpause an.
Am Sonntag ging der afghanische Staatschef noch einen Schritt weiter: Sein Sprecher erklärte im Onlinedienst Twitter, als "Geste des guten Willens" sollten bis zu 2000 inhaftierte Taliban-Kämpfer freigelassen werden. Auf diese Weise solle "der Erfolg des Friedensprozesses sichergestellt werden". Ghani hatte zuvor erklärt, eine Regierungsdelegation stehe zur sofortigen Aufnahme von Friedensgesprächen mit den Aufständischen bereit.
Die Vereinigten Staaten und die Taliban hatten sich Ende Februar auf einen Teilabzug der US-Truppen verständigt. Das Abkommen zwischen beiden Seiten sieht zudem vor, dass bis zu 5000 gefangene Taliban-Kämpfer und bis zu tausend verschleppte afghanische Soldaten freikommen. Danach sollen innerafghanische Friedensverhandlungen beginnen. Kabul hat bislang rund tausend inhaftierte Taliban-Kämpfer auf freien Fuß gesetzt, während die Islamistenmiliz etwa 300 afghanische Sicherheitskräfte frei ließ.
Es ist das erste Mal seit dem Einmarsch der US-Truppen im Jahr 2001, dass die Miliz selbst eine Waffenruhe verkündet. Davor hatte es erst einmal eine Feuerpause gegeben, Ghani hatte sie 2018 ebenfalls anlässlich des Eid-al-Fitr-Festes verkündet. Damals sorgte sie für spontane Feiern auf den Straßen.
Der Schritt der Taliban wurde international begrüßt. Die vereinbarte Waffenruhe sei ein "positiver Schritt nach vorne, der Anlass zu Hoffnung gibt", erklärte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Sonntag in einer gemeinsamen Erklärung mit seinen Kollegen aus Indonesien, Katar, Norwegen und Usbekistan. Die Außenminister forderten beide Seiten auf, in den kommenden Tagen und Wochen weitere Schritte zu unternehmen, um den Beginn von Friedensverhandlungen zu ermöglichen.
Auch US-Außenminister Mike Pompeo rief dazu auf, die Gelegenheit zu nutzen und Friedensgespräche aufzunehmen. Er erwarte zudem, dass die Taliban sich an ihre Zusage hielten, freigelassene Gefangene nicht wieder für Kämpfe einzusetzen, erklärte er am Sonntag.
Die dreitägige Waffenruhe sei eine "bedeutende Chance, die man nicht verstreichen lassen sollte", erklärte der US-Sondergesandte für Afghanistan, Zalmay Khalilzad: "Die USA werden ihren Teil beitragen, um zu helfen." Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte alle Beteiligten auf, "diese Möglichkeit für Frieden zu ergreifen - zum Wohle aller Afghanen".
Khalilzad hatte mit den Taliban über Monate das im Februar unterzeichnete Abkommen ausgehandelt. Taliban-Chef Haibatullah Achundsada hatte die USA am Mittwoch aufgefordert, die Chance auf ein Ende des jahrzehntelangen Konflikts nicht verstreichen zu lassen. Die Taliban fühlten sich dem Abkommen weiter "verpflichtet", erklärte er. Auch die "andere Seite" solle sich an ihre Zusagen halten und diese "entscheidende Chance" nicht vertun.
Die geplanten innerafghanischen Friedensgespräche soll der Erzrivale von Präsident Ghani, Abdullah Abdullah, leiten. Er war am vergangenen Wochenende zum Vorsitzenden des Nationalen Aussöhnungsrates gekürt worden, um den andauernden Machtkampf mit Ghani zu beenden.
Abdullah begrüßte ebenfalls das Angebot der Taliban. Die Menschen in Afghanistan wollten vor allem Frieden, erklärte er und fügte hinzu, er begrüße alle Schritte, die das "lange Leiden" des Landes beendeten.
AFP.com
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