Reisefreudige suchen nach Alternativen und schauen dabei verstärkt nach Häusern auf vier Rädern. Schließlich sind die meisten Campingplätze bereits geöffnet und Abstandsregeln lassen sich auch leichter einhalten. So steigt bei den deutschen Wohnmobilherstellern und -vermietern die Hoffnung, letztlich in diesem Jahr nach massiven Einbrüchen im März und April doch noch ein gutes Geschäft zu machen.
“Das genaue Plus ist noch schwer zu beziffern, wir sehen aktuell aber einen großen Nachholeffekt nach den Schließungen in der Corona-Krise und zudem neue Interessenten”, sagt Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbandes (CIVD). Im ersten Quartal verzeichnete der Verband so viele Neuzulassungen wie nie zuvor. Mit der Schließung der Autohäuser brach die Zahl der Anmeldungen dann ein. Doch nun hoffen Hersteller wie Vermieter auf einen schnellen Aufschwung - auch dank immer mehr geöffneter Campingplätze. “Seit Mai gibt es in der Branche wieder eine hohe Nachfrage bei Vermietung und Verkauf von Freizeitfahrzeugen”, sagt Christian Bauer, Chef des deutschen Wohnmobilherstellers Hymer, der inzwischen zum US-Konzern Thor Industries gehört.
JÜNGERE UND ENTSCHLUSSFREUDIGERE KUNDEN
Hymer, die vom Camper Van bis zum integrierten Reisemobil alles im Programm haben, erschließt in der Krise neue Kundengruppen. “Wir haben am Handelsplatz mit sehr vielen und in Teilen deutlich jüngeren Neukunden zu tun. Gleichzeitig kommen jetzt auch Personen auf uns zu, die lange mit dem Kauf eines Freizeitfahrzeuges geliebäugelt haben und nun die Entscheidung treffen, sich diesen Traum endlich zu verwirklichen”, sagt Bauer.
Ähnlich wie Hymer ist die private Vermietungsplattform Paul Camper zuversichtlich, mit einem blauen Auge davonzukommen. Nachdem ab Mitte März niemand mehr Camper buchte und Firmenchef und -gründer Dirk Fehse Kurzarbeit beantragte und die Marketingausgaben fast komplett zusammenstrich, geht es inzwischen wieder bergauf: “In der letzten Woche hatten wir 75 Prozent mehr Buchungen als im Vorjahreszeitraum.” Fehse, der auch seinen eigenen Camper Paul auf der Plattform anbietet, ist sich sicher, dass die Corona-Krise das Reiseverhalten verändert. Die Leute, die einfach mal ein Wochenende nach Barcelona flögen, würden weniger werden, meint der gelernte Bankkaufmann. Trotzdem steige das Bedürfnis nach Ausgleich und Erholung, was Campen wunderbar bedienen könne.
“Es ist die perfekte Urlaubsform, um Abstand zu halten und wenige Kontakte zu haben”, wirbt ADAC-Sprecherin Marion-Maxi Hartung. Man habe sein eigenes Haus immer dabei und sei unabhängig. Wenn dieses dann mit einer Toilette ausgestattet ist, dürften unangenehme Überraschungen ausbleiben. Wegen der Hygiene- und Abstandsregeln lassen einige Campingplätze ihre Sanitäranlagen geschlossen und nehmen weniger Camper auf. Um nicht abgewiesen zu werden, rät Sprecher Stephan Diehl vom drittgrößten Wohnmobilhersteller Knaus Tabbert, vorher zu reservieren und nicht in den blauen Dunst hinein zu fahren. “Deutschlandweit gibt es etwa 3000 Campingplätze sowie 3500 Reisemobilstellplätze. Da kann es in der Hauptsaison an beliebten Destinationen schon eng werden”, warnt Onggowinarso vom Caravaning-Verband.
Die Zuversicht in der Branche, die sich mit den zunehmenden Lockerungen ausbreitet, kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Jahr nicht an den Rekord von mehr als 80.800 neuzugelassenen Fahrzeugen von 2019 heranreichen wird - zumal auch die Produktionshallen über Monate stillstanden. Doch könnten ein paar mehr Deutsche diese Art des Reisens für sich entdecken. Bisher spielen das Wohnmobil und der Wohnwagen in der Tourismuswirtschaft eine untergeordnete Rolle. Nur sieben Prozent der Deutschen, die im eigenen Land Urlaub machen, übernachten laut einer Umfrage des Deutschen Tourismusverbandes in einem Zelt, Wohnwagen oder Wohnmobil.
Tags: