Rufe der Autoindustrie verhallen ungehört

  04 Juni 2020    Gelesen: 537
Rufe der Autoindustrie verhallen ungehört

Die Große Koalition hat sich in den Verhandlungen um Konjunkturhilfen in der Corona-Krise gegen eine Kaufprämie für Benziner und Dieselautos entschieden. Stattdessen soll es mehr Zuschuss für Elektroautos geben. Während das Paket in der Wirtschaft auf viel Zustimmung trifft, ist die Autoindustrie wenig begeistert.

Die Rufe aus der Industrie waren laut. Neben den Autokonzernen Volkswagen, Daimler und BMW hatten auch die Autoländer Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern bis zuletzt auf Kaufprämien für Diesel und Benziner gepocht. Am Ende konnten sie sich damit nicht durchsetzen. Stattdessen hat sich die Regierungskoalition als Teil ihres 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturpakets auf ein Zukunftsprogramm von 50 Milliarden Euro geeinigt.

Damit will die Bundesregierung nun unter anderem den Kauf von Elektroautos, den Aufbau von Ladesäulen sowie die Unterstützung von Bahn und öffentlichem Nahverkehr finanzieren. "Wir haben uns auf Eckpunkte der Wasserstoffstrategie geeinigt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwochabend in Berlin. Zudem setze man auf neue Brennstoffe: Die Strategie für Produktion und Einsatz des Brennstoffes vor allem in Stahl- und Chemieindustrie sowie im Schwerlastverkehr war über Monate in der Koalition und der Regierung umstritten.

Aus Sicht des Autosektors ist das Konjunkturprogramm eher kümmerlich. "Der Teil des Konjunktur-Programms für die Autoindustrie enttäuscht", sagte Heino Ruland von Ruland Research. "Die SPD hat sich durchgesetzt", sagt er mit Blick darauf, dass eine Prämie nur für Elektro-Autos geplant sei. Im Übrigen sei das gerade für das SPD-Klientel schlecht, da dieses häufig in Mehrfamilienhäusern ohne Stromanschlüsse an den Parkmöglichkeiten lebe. "Die Mehrwertsteuersenkung fällt bei Autos kaum ins Gewicht, sie dürfte von weniger Rabatten ausgeglichen werden", sagte Ruland. "Verglichen mit dem französischen Paket ist das deutsche nicht der große Wurf", sagte der Analyst. Auch der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht bei den geplanten Hilfen der Großen Koalition mit Blick auf die Autoindustrie Licht und Schatten. "Bei der Elektromobilität sind die 6000 Euro für die rein batteriegetriebenen Autos ein sehr kräftiger Impuls", schrieb der Experte vom Duisburger Auto-Forschungsinstitut CAR zum Paket der Koalitionsspitzen.

"Mal sehen, inwieweit die Autobauer ihre heutigen Zuschüsse zu den Elektroautoprämien zurückfahren. Das würde ich nicht ausschließen." Mit dem staatlichen Rabatt fördere man zudem nur einen kleinen Teilmarkt. "Es fehlt der große Schub für die restlichen 90 Prozent, und genau die 90 Prozent bewegen unsere Wirtschaft und unser Sozialprodukt", schrieb Dudenhöffer. Die geplante Mehrwertsteuersenkung um 3 Prozentpunkte von 19 auf 16 Prozent für ein halbes Jahr sei eine gute Sache, die den deutschen Autobauern genauso nütze wie den Importeuren, schrieb Dudenhöffer weiter. "Freilich sind die Ersparnisse überschaubar, es hätte schon kräftiger ausfallen können, um deutliche Kaufimpulse auszulösen."

Die geplante Erhöhung der Kaufprämie für Autos mit Elektroantrieb geht derweil nach Ansicht von Umweltschützern nicht weit genug und hat noch zu große Schlupflöcher. "Die zusätzliche Förderung von Fahrzeugen mit Plug-in-Hybrid-Technologie ist eine Kaufprämie für Verbrenner durch die Hintertür", sagte der Verkehrsexperte der Umweltorganisation BUND, Jens Hilgenberg. Es brauche einen Nachweis, wie die Plug-in-Hybride bewegt würden, etwa über das Auslesen von Verbrauchsdaten bei der Hauptuntersuchung. Wenn nicht mindestens 70 bis 80 Prozent der Strecke elektrisch gefahren würden, sei das Auto ein Verbrenner. Förderungen sollten dann erst nachträglich gewährt werden.

Kaufprämien und Steuervorteile dürften nicht einfach nach Art der Antriebstechnik und unabhängig von Größe, Gewicht und Motorleistung vergeben werden, forderte der BUND weiter. Anreize müssen zusätzlich an Kriterien wie die Effizienz geknüpft werden, und zwar auch bei reinen batterieelektrischen Fahrzeugen.

Quelle: ntv.de, jki/dpa/AFP


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