Es kommt jedes Jahr wieder, in gleicher Form: Andrzej Duda reist nach Washington, spricht mit Donald Trump über Kooperation im Militär-, Wirtschafts- und Energiebereich; die Amerikaner loben die Polen für ihren Beitrag zur Nato, nennen Warschau einen „wertvollen Partner Amerikas in Europa“ und versprechen, das Land noch unabhängiger zu machen von russischer Energie. Politische Routine eben.
Die diesjährige Zusammenkunft des polnischen und des amerikanischen Präsidenten war etwas spannender, fand sie doch im Vorfeld der polnischen Präsidentschaftswahlen statt. Noch liegt Duda in Umfragen vorn, aber in der Quarantäne-Zeit hat seine Beliebtheit nachgelassen. Die Wahl war auch eigentlich auf den 10. Mai angesetzt – da standen die Beliebtheitswerte des amtierenden Präsidenten bei 60 Prozent. Jetzt unterstützt Duda nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten: Ein zweiter Wahlgang scheint unabwendbar.
Dudas größter Widersacher ist der Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski. Gegenwärtig würden 20 Prozent der Wähler für ihn stimmen. Seinen Wahlkampf stützt der oppositionelle Politiker auf die Kritik der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“. Wegen der undurchdachten Strategie der Regierung hätten rund eine Million polnische Bürger in der Quarantäne ihre Arbeit verloren, erklärte Trzaskowski.
Dass Warschau Washington zuliebe seine Beziehung zu Brüssel vernachlässigt hat, will die Opposition auch nicht hinnehmen: Es drohen Nachteile bei der Zuwendung von Mitteln aus dem EU-Haushalt. Trzaskowski nennt Duda einen gelenkten Politiker: Dessen Entscheidungen würden von Jaroslaw Kaczynski vorgegeben, dem Anführer der Konservativen im polnischen Parlament.
Auf die Kritik reagierte der Präsident bisher moderat bis kraftlos, zeigt aber jetzt, kurz vor dem Urnengang, mehr Entschlossenheit. Die Reise in die USA soll Duda zu mehr Wählergunst verhelfen. Zudem haben sich innerhalb eines Jahres ohnehin viele Fragen im polnisch-amerikanischen Verhältnis angestaut.
Signal an Russland
Das Thema, das Warschau wohl am meisten bewegt, ist der Abzug amerikanischer Truppen aus Deutschland. Kommt das US-Kontingent wirklich nach Polen? Vor Dudas Anreise bekräftigte Trump neuerlich, die USA werden 9.500 Soldaten aus der Bundesrepublik abziehen. Dass die Einheiten teils nach Polen verlegt würden, schloss der US-Präsident zwar nicht aus, aber von handfesten Absprachen mit der polnischen Führung war noch keine Rede.
Das Treffen im Weißen Haus hat nun Klarheit geschaffen: „Polen hat die Zusage eingehalten, zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für den Verteidigungsbedarf der Allianz auszugeben. Ein Teil unserer Truppen aus Deutschland kehrt nach Hause zurück, ein Teil wird in andere Länder Europas entsandt. Eines dieser Länder ist Polen“, erklärte der US-Präsident nach seinem Treffen mit dem polnischen Amtskollegen.
Der polnische Präsident bekräftigte seinerseits, er habe die Vereinigten Staaten seit Jahren um die Ausweitung der Militärpräsenz in seinem Land gebeten. Derzeit sind im Westen Polens mehr als 5000 amerikanische Soldaten stationiert, doch Warschau und Washington regeln dies nicht direkt untereinander, sondern über die Nordatlantikallianz.
Die Amerikaner sollen aber eine ständige Militärbasis in Polen einrichten, die dann „Fort Trump“ heißen werde, lauten Dudas Forderung und Versprechen. Das Weiße Haus schweigt dazu oder gibt zweideutige Antworten. Auch die Sorgen der Polen, Russland werde in Kaliningrad die Raketensysteme „Iskander“ stationieren, scheinen Washington nicht zu beeindrucken: Die Nato habe auch für diesen Fall genug Kräfte in Europa.
Im vergangenen Jahr erzielten Duda und Trump einen Kompromiss: Washington sagte weitere 1000 Soldaten zur Stationierung in Europa zu. Jetzt haben die beiden Präsidenten vereinbart, Polen erhalte zusätzlich ein Kontingent von 1000 Kräften. „Die Entscheidung zur Verlegung [von Truppen] nach Polen ist ein Signal für Russland, das auf die europäische Politik Einfluss zu nehmen versucht“ erklärte der US-Präsident.
Deutschland soll büßen
Russland war nicht die einzige „Sicherheitsbedrohung“, die Duda und Trump bei ihrem Treffen besprochen haben. Beunruhigt ist Washington auch durch die Politik der deutschen Bundesregierung. Berlins Weigerung, die deutschen Nato-Ausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts anzuheben, war nicht einmal das Hauptthema.
Schlimmer als der verweigerte Nato-Beitrag ist für Washington die deutsche Beteiligung am Bau der Gaspipeline Nord Stream 2: „Deutschland zahlt Moskau Milliarden für Energie, aber wir sollen die Deutschen vor Russland schützen? Das ist nicht okay“ verkündete Trump wenige Tage vor dem Treffen mit Duda in Washington.
Man solle sich an Warschau ein Beispiel nehmen, so der US-Präsident. Im Unterschied zur deutschen versuche die polnische Regierung mit aller Kraft, die Abhängigkeit von russischer Energie zu minimieren. Amerikanisches Flüssiggas sei für Warschau die Alternative.
Vor zwei Jahren wurde verflüssigtes Erdgas aus den USA erstmals nach Polen geliefert. Amerikanisches Gas sei günstiger als russisches, erklärten polnische Regierungsbeamte damals. Trump und Duda haben nun vereinbart, ab 2022 werde Flüssiggas in vollem Umfang geliefert. Im Bundesstaat Louisiana entstehen bereits Gasterminals zu diesem Zweck.
Warschau hat sich unter anderem vorgenommen, das amerikanische Gas an die Ukraine weiterzuverkaufen – sofern es keine Schwierigkeiten mit dem Transport gebe. Eine Probelieferung ist in der Ukraine bereits angekommen: Dort bedankt man sich beim westlichen Nachbarn und hofft, das Gas aus den USA werde Europa für immer und ewig vom russischen Erdgas erlösen. Bis dahin kaufen Warschau und Kiew weiterhin Pipelinegas in Russland ein.
Ein fast beiläufiges Ergebnis des Spitzentreffens in Washington ist die Vereinbarung, die Kernkraft in Polen zu fördern. In den nächsten 20 Jahren will Warschau sechs Kernreaktoren bauen – und die Vereinigten Staaten sollen dabei behilflich sein.
Fazit: Alle hätten vom Treffen Dudas und Trumps mehr erwartet, sagt der Politologe und Rechtshistoriker Michal Patryk Sadlowski von der Universität Warschau. „Polen hatte gehofft, die USA würden ein beträchtliches Kontingent aus Deutschland verlegen und endlich Konkretes liefern in Bezug auf den Aufbau eines amerikanischen Stützpunkts. Auch auf die Übergabe von Militärtechnik hatte Warschau gehofft. Gegeben hat es aber nur offizielle Erklärungen.“
Unzufrieden sei Warschau auch mit seiner Stellung als Krafthebel gegen Merkel: „Polen dient heute als Ausgleichgewicht zwischen Trump und Merkel. Wir wünschen uns aber eine selbsttragende Beziehung zu den USA genauso wie zu Deutschland“, erklärt der Wissenschaftler.
Ob eine Verlegung von US-Truppen aus Deutschland nach Polen dafür förderlich wäre? Eine Verstärkung des US-Kontingents auf polnischem Boden würde doch Warschau dazu ermuntern, sich noch stärker als „bester und wertvollster US-Partner in Europa“ zu positionieren, gibt der Politologe Artjom Sokolow vom Zentrum für europäische Studien der russischen Hochschule MGIMO zu bedenken. „Die Truppenverstärkung würde Warschaus Stellenwert in der Visegrad-Gruppe und in der Drei-Meere-Initiative stärken“, erklärt der Analyst.
Aber Abmachungen im Bereich der Friedenswahrung in Europa würden die Stationierung zusätzlicher US-Truppen in Polen sicherlich schwächen. „Einige tausend US-Soldaten mehr würden Moskau nicht sonderlich beunruhigen, aber reagieren müsste es schon – zum Beispiel durch deckungsgleiche Maßnahmen im benachbarten Kaliningrad“, sagt der Politologe Sokolow.
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