Wir teilen nicht aus Nächstenliebe

  13 Juli 2020    Gelesen: 801
Wir teilen nicht aus Nächstenliebe

Aktuell ist es schwer, Wohnungen mit anderen zu teilen, aber generell teilt man mittlerweile fast alles: Autos, Swimmingpools, Tennisplätze, Terrassen und Boote. Gut ist das vor allem für unser Portemonnaie. Aber auch nicht ungefährlich, denn die Risiken wälzen die Sharing-Plattformen gerne ab.

Ist Teilen nachhaltig? Ja. Ist das der Grund, warum wir teilen? Nein, sagt Jonas Pentzien vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. "Den meisten Nutzern von Sharing-Plattformen geht es darum, Geld zu sparen." Das verrät schon der Ursprung von Anbietern wie Uber, Airbnb und WeWork: "Die ganzen großen Plattformen sind im Kontext der Finanzkrise von 2007 bis 2009 und darüber hinaus groß geworden", sagt der Nachhaltigkeits-Ökonom. Damals hätten viele Menschen ihren Job verloren und mussten irgendwie ein Einkommen generieren. Und in vielen Fällen sei es so gewesen, dass sie "in ihrer Wohnung vielleicht noch ein Zimmer frei hatten, weil das Kind ausgezogen ist".

Daran hat sich bis heute nichts geändert: Die Leute, die auf Sharing-Plattformen ihre Wohnungen oder Mitfahrgelegenheiten anbieten, machen das oft, weil sie Geld brauchen - das haben Untersuchungen des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung bestätigt: "Wir haben herausgefunden, dass Nutzerinnen und Nutzer von Sharing-Angeboten primär von ökonomischen Aspekten motiviert sind", sagt Pentzien. "Ökologische Motive, die häufig damit in Verbindung gebracht werden, spielen auch eine Rolle, sind aber nicht so relevant. Aber immerhin relevanter als soziale Motive."

"Es ist sinnvoll, den Akku-Bohrer zu teilen"

Ökonomische Motive sind es auch, die viele Menschen antreiben, neuerdings ihren Swimmingpool bei Swimply anzubieten. Im April und Mai, als die erste Corona-Welle in den USA ihren Höhepunkt erreichte und immer mehr Menschen vor der Quarantäne-Monotonie flüchten wollten, schoss die Nachfrage bei dem Pool-Vermittler um 1200 Prozent nach oben. In weitläufigen US-Staaten mit vielen Pools wie Arizona ist eine Stunde Abkühlung schon für etwa 40 Dollar zu haben. In den beengten Häuserschluchten von New York City kostet das Vergnügen bis zu 100 Dollar.

Ein lukratives Geschäft für die Pool-Besitzer, die riesigen Wasserbecken sind teuer in Anschaffung und Unterhalt. Und sicherlich zumindest zeitweise verzichtbar, wenn die Weltwirtschaft am Boden liegt. Genauso wie viele andere Dinge in unserem Haushalt. "Das klassische Beispiel ist immer der Akku-Bohrer", sagt Jonas Pentzien. "Wer einen kauft, benutzt ihn im Schnitt nur circa zwölf Minuten, dann wieder ewig nicht. Es ist sinnvoll, wenn sich Menschen den Akku-Bohrer teilen."

"Was, wenn ich einen Unfall baue?"

Teilen ist aber auch gefährlich, denn was machen wir, wenn der Akku-Bohrer nicht zurückkommt? Oder, wenn ein Airbnb-Gast etwas aus unserer Wohnung mitgehen lässt? Bei vielen Plattformen können sich Kunden in solchen Fällen beschweren - grundsätzlich laufe es aber so, dass Probleme auf die Kunden abgewälzt werden, sagt Jonas Pentzien. Häufig würden solche Fälle dann über die individuelle Haftpflichtversicherung geregelt. "Eine gewisse Form von Unsicherheit bleibt natürlich."

Das gilt auch für Swimply, denn die Idee, sich mitten in der Corona-Krise bei fremden Leuten an den Pool zu legen, scheint zumindest fragwürdig. Die Plattform sorgt sich deshalb aber nicht, für Hygiene seien die Poolbesitzer verantwortlich, hat Swimply-Chef Asher Weinberger der amerikanischen Nachrichtenseite Vox erzählt. Die legen seines Wissens nach viel Wert auf Sauberkeit. Und wenn doch jemand gegen die Richtlinien der US-Seuchenschutzbehörde CDC verstößt, wird er oder sie von der Plattform verbannt. Die Verantwortung für etwaige Corona-Infektionen kann das Startup damit von sich weisen.

Wegen solch unkalkulierbarer Risiken gehören unsere Privatautos nach wie vor zu den Dingen, die wir erstaunlich selten teilen - obwohl die zu Hunderten in den Straßen stehen und teilweise tage- oder wochenlang nicht genutzt werden. Bei vielen Plattformen bestehe immer noch Unsicherheit in Bezug auf die Versicherungsfrage, sagt Jonas Pentzien: "Was passiert, wenn ich einen Unfall mit einem anderen Auto baue?" Viele Sharing-Anbieter wünschen sich vermutlich, dass die Besitzer in solchen Fällen ihre privaten Versicherungen bemühen. Spätestens an dieser Stelle wars das dann meistens mit dem Wunsch zu teilen.

Quelle: ntv.de


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