Bei jeder Wahl in Iran prüft der Wächterrat alle Bewerber und schließt jene aus, die entweder formale Kriterien nicht erfüllen oder politisch als nicht zuverlässig genug gewertet werden. Der Oberste Führer Ali Chamenei, der qua Funktion über der Tagespolitik steht, aber den Hardlinern zugerechnet wird, entsendet sechs Kleriker in den Rat. Das Parlament, ebenfalls von Konservativen und Hardlinern dominiert, wählt die anderen sechs auf Vorschlag des Chefs der Justiz, Sadeq Laridschani. Auch der ist ein Hardliner, den Chamenei ernannt hat. So kann das Regime sicherstellen, dass ihm nicht genehme Bewerber erst gar nicht auf dem Wahlzettel stehen.
Aus dem Lager der Reformer ließ der Wächterrat von 3000 Kandidaten nur 30 zu. Sie einigten sich daher mit den Moderaten darauf, eine gemeinsame Liste aufzustellen. Damit kommen sie immerhin noch auf 200 Bewerber, die den Kurs des ebenfalls als moderat geltenden Präsidenten Hassan Rohani unterstützen. Insgesamt wurden laut dem Innenministerium allerdings 6229 von ursprünglich fast 12 000 Bewerbern zugelassen, unter ihnen 586 Frauen. Analytiker in Teheran schätzen, dass bis zu zehn Prozent der Bewerber mit Rohani sympathisieren. In Iran gibt es mehr als 250 registrierte Parteien, viele Kandidaten, vor allem auf dem Land, sind Unabhängige.
Das bisherige Parlament hatte Rohani das Leben schwer gemacht und Reformversuche blockiert. Seinen größten Erfolg, das Atomabkommen mit den USA und den anderen Weltmächten, billigten die Abgeordneten erst nach langer Diskussion und nachdem der Oberste Führer Ali Chamenei zu erkennen gegeben hatte, dass er den Deal befürwortet. Darin akzeptierte Iran enge Grenzen für sein Nuklearprogramm, im Gegenzug wurden Mitte Januar die Wirtschaftssanktionen aufgehoben. Allerdings wettert Chamenei seither gegen jede weitere Öffnung des Landes und Zusammenarbeit mit den USA. Er sprach davon, die Feinde Irans würden versuchen, die Islamische Republik durch die Wahlen zu infiltrieren, eine Replik auf Kritik am Wächterrat.
Schlechte Wirtschaft und hohe Arbeitslosigkeit sind Hauptthemen im Wahlkampf
Rohani dagegen besuchte Europa und unterschrieb Wirtschaftsverträge, etwa über den Kauf neuer Flugzeuge. Viele Iraner jedoch spüren die Effekte des Sanktionsendes noch nicht. Die schlechte Wirtschaftslage und die hohe Arbeitslosigkeit sind daher die Hauptthemen im Wahlkampf sowohl bei den Reformern als auch bei den Konservativen. Offiziell beträgt die Arbeitslosigkeit in Iran zehn Prozent, die Inflation 13 Prozent. Die tatsächlichen Zahlen dürften deutlich höher liegen. Vor allem viele junge Menschen finden keine Arbeit, und fast zwei Drittel der Iraner sind unter 30.
Zum Symbol für die Ausgrenzung der Reformer durch das Regime ist der Enkelsohn von Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Chomeini geworden. Hassan Chomeini ist populär unter den Reformern und bewarb sich um ein Mandat im Expertenrat, der bis 2024 im Amt sein wird. Auch ihn disqualifizierte der Wächterrat, der 166 von 801 Kandidaten zuließ. Die Berufung des 43-Jährigen wurde zurückgewiesen, obwohl ihn hohe schiitische Kleriker und Ex-Präsident Hashemi Rafsandschani unterstützten. Er habe nicht die nötige Erfahrung, hieß es. Er sei "noch ein Kind", giftete einer der ultrakonservativen Ayatollahs.
Wer sich anderen Kulturen aussetzt, muss andere Kulturen ertragen
Nackte Statuen wegen eines Staatsbesuchs aus Iran mit Holz zu verkleiden, ist falsch. Europa muss sich für seine Kunst nicht schämen.
Rafsandschani kritisierte daraufhin den Wächterrat: "Wer hat euch das Recht gegeben zu urteilen", fragte der 80-Jährige, der als mächtigster Strippenzieher in Iran gilt und als derjenige, der Rohanis Wahlerfolg organisiert hat. Es half nichts. Also rief Mohammed Chatami, der für acht Jahre als Reformer Präsident in Iran war, seine Anhänger auf, zur Wahl zu gehen. Eine hohe Beteiligung hilft in der Regel dem Lager der Reformer und Moderaten, wenn es ihnen gelingt, ihre Kräfte zu bündeln.
Die Wahl wird auch eine Richtungsentscheidung darüber, ob Rohani mehr von seiner Agenda umsetzen kann und wie seine Chancen auf eine Wiederwahl im nächsten Jahr stehen; da gilt es zumindest, den Einfluss der Konservativen zu begrenzen. Bei der Präsidentenwahl zog Wahlkämpfer Mohammed Reza Aref seine Kandidatur zu Rohanis Gunsten zurück. Der Zug der Reformer ging damals auf.
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