Olympia-Plan für 2021 droht zu scheitern

  21 Juli 2020    Gelesen: 706
 Olympia-Plan für 2021 droht zu scheitern

Japan stemmt sich gegen die massiven Auswirkungen der Corona-Krise - und bereitet zugleich die auf 2021 verlegten Olympischen Spiele vor. Dabei ist völlig unklar, ob und wenn ja, in welcher Form diese stattfinden können. Für den deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach ist das besonders heikel.

Die schmerzhafte Leere wird der olympischen Welt in dieser Woche noch einmal so richtig bewusst. Statt wie geplant mit einer prachtvollen Eröffnungsfeier am Freitag in die Sommerspiele von Tokio zu starten, ringt der Sport mit den Auswirkungen der beispiellosen Olympia-Verlegung ins nächste Jahr. Die japanischen Gastgeber und das Internationale Olympische Komitee (IOC) um seinen Präsidenten Thomas Bach klammern sich an die Hoffnung auf ein rechtzeitiges Ende der Corona-Krise für die Spiele 2021. Doch die Zweifel sind gewaltig.

Welche Folgen hatte die Verschiebung?

Für mehr als 11.000 Athletinnen und Athleten ist das Ziel, auf das sie teils schon Jahre hingearbeitet haben, nun noch einmal zwölf Monate weiter entfernt. Für die Trainings-, Karriere- und auch die Familienplanung bei vielen ein heftiger Einschnitt. Für die Gastgeber und das IOC laufen Mehrkosten auf, die insgesamt mehrere Milliarden Euro umfassen werden. Verbände und Nationale Olympische Komitees müssen zum einen um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen, zum anderen ihre Wettkampfkalender und Qualifikationsrichtlinien komplett überarbeiten.

Wie sicher ist die Olympia-Austragung im nächsten Jahr?

Die Zweifel sind groß. Sollte nicht rechtzeitig ein Impfstoff die Coronavirus-Pandemie beenden, sind Sommerspiele mit Tausenden Sportlern und Millionen von Fans in Japan kaum vorstellbar. Die Virologin Ulrike Protzer von der TU München erwartet höchstens ein aufs Minimum reduziertes Sportfest. "Nicht mit Massen von Menschen, nicht als eine große Showveranstaltung begleitet von kommerziellen Interessen. Aber sie sind möglich als Sportveranstaltung", sagte die Forscherin dem ZDF.

Rund 70 Prozent der Japaner findet einer jüngsten Umfrage zufolge, die Tokio-Spiele sollten entweder noch einmal verschoben oder ganz abgesagt werden. Die Organisatoren und das IOC aber halten an den Plänen fest und wollen im Herbst detaillierte Konzepte für ein Olympia unter Corona-Bedingungen vorlegen.

Wie ist die aktuelle Lage im Gastgeberland?

Die Zahl der Corona-Toten in Japan überschritt zum Wochenbeginn die Marke von 1000. Tokio hatte jüngst die höchste Alarmstufe ausgerufen, nachdem die Zahl der Infizierten wieder deutlich angestiegen war. Japan steckt in einer schweren Rezession, die Industrieproduktion und die Exporte sind eingebrochen, der bis zum Ausbruch der Corona-Krise boomende Tourismus ist zum Erliegen gekommen. Japans Regierung stemmt sich mit einem gigantischen Konjunkturprogramm gegen die Krise. Wegen der hohen Zahl der Infizierten ist Tokio aber von einer umstrittenen Förderkampagne für die Tourismusbranche ausgenommen, Inlandsreisen dorthin werden nicht bezuschusst.

Wie weit sind die Vorbereitungen für die Spiele 2021?

Nach erfolgreichen Verhandlungen mit den Eigentümern und Investoren stehen alle olympischen Wettkampfstätten und das Athletendorf auch im nächsten Jahr wie ursprünglich vorgesehen zur Verfügung. Gekaufte Tickets bleiben gültig, können ab Herbst aber auch umgetauscht werden. Freiwillige Helfer, die in diesem Jahr dabei gewesen wären, werden für 2021 im Volunteer-Programm bevorzugt.

Am Kern der Spiele solle sich für die Sportler nichts ändern, versprach IOC-Präsident Thomas Bach. Zwar haben die Olympia-Macher deutliche Einsparungen angekündigt, wo genau, dazu geben sie aber bisher keine Auskunft.

Wie könnte ein Corona-Olympia funktionieren?

Für Athleten und Funktionäre will Japan die Einreise erleichtern. Derzeit sind die Außengrenzen des Landes geschlossen. Die Teilnehmer aus aller Welt müssten sich womöglich nach Ankunft in Quarantäne begeben, sofern sie überhaupt ihre Heimat verlassen dürfen. Für die Dauer der Spiele müsste ein hochkomplexes Hygienekonzept mit eigenen "Blasen" für die Olympioniken greifen. Laut IOC-Olympiadirektor Christophe Dubi seien über 200 Vorschläge gemacht worden, um die Gefahr von Infektionen einzudämmen. Fraglich ist, ob überhaupt Zuschauer dabei sein dürfen. Geisterspiele nur für das Fernsehen aber hat IOC-Chef Bach ausgeschlossen, auch viele Sportler sind dagegen.

Warum wird Olympia angesichts der großen Ungewissheit nicht schon jetzt abgesagt?

Für Thomas Bach sollen die Tokio-Spiele zum Symbol des Sieges gegen das Virus werden. "Die Olympischen Spiele können ein einzigartiger Meilenstein für die gesamte Welt sein", sagte der 66-Jährige. Für Bach selbst wäre die Rettung der Sommerspiele auch ein persönlicher Triumph zum Einstieg in seine zweite Amtszeit, eine Absage indes ein tiefschwarzer Fleck auf einer ohnehin schwierigen Präsidentschaft. Auch Japan will seinen Ruf als Meister der Organisation unbedingt wahren und den Gesichtsverlust eines Scheiterns der Tokio-Spiele verhindern.

Zudem stehen neben dem olympischen Traum vieler Sportler für die Gastgeber auch Milliardeninvestitionen auf dem Spiel. Finanzielle Motive wie die Sicherung der TV-Einnahmen dagegen hat IOC-Chef Bach bestritten. "Die Absage der Spiele wegen höherer Gewalt wäre für das IOC einfacher gewesen, wir hätten die Einnahmen durch die Versicherung gehabt", sagte er jüngst der "L'Equipe". "Aber wir sind für die Organisation der Spiele da, nicht für ihre Absage."

Quelle: ntv.de, Christian Hollmann und Lars Nicolaysen, dpa


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